Netanjahus Appell: "Kommt nach Israel"

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Nach den Attentaten in Dänemark ermutigt Israels Premier erneut europäische Juden zur Einwanderung. Man könne davon ausgehen, dass die Welle der Angriffe in Europa noch nicht zu Ende sei.

Jerusalem. Benjamin Netanjahu wird nicht müde, Europas Juden zur Massenemigration in sein Land aufzufordern. Wie schon vor gut einem Monat, nach den Anschlägen auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und einen koscheren Supermarkt, rief der israelische Premier erneut dazu auf, nach Israel zu kommen. „Wieder sind Juden auf europäischem Boden ermordet worden, nur weil sie Juden sind“, kommentierte er die beiden Attentate vom Wochenende in Dänemark. Man könne davon ausgehen, so setzte er hinzu, dass „diese Welle terroristischer Angriffe, darunter mörderische antisemitische Übergriffe, noch nicht zu Ende ist“. Dänemarks Oberrabbiner, Jair Melchior, zeigte sich enttäuscht über den Appell Netanjahus. „Terror ist kein Grund, um nach Israel zu ziehen“, meinte er.

Außenminister Avigdor Lieberman forderte unterdessen die internationale Gemeinschaft dazu auf, auf Abstand zu gehen zur „politischen Korrektheit“. Stattdessen solle sie einen „kompromisslosen Krieg gegen den radikalen Islam und seine Wurzeln“ ausfechten, schreibt er auf seiner Facebook-Seite.

Netanjahu hatte mit seinem Appell an Frankreichs Juden während der Trauerfeier in Paris vor fünf Wochen heftige Kritik ausgelöst. Die französische Regierung konterte und rief ihrerseits die jüdischen Staatsangehörigen zum Bleiben auf. Schon im Vorfeld der großen Sympathiekundgebung für die Familien der Opfer wäre es fast zum Eklat gekommen. Präsident Francois Hollande wollte nicht, dass der israelische Regierungschef nach Paris kommt. Auch in Israel wurde der Vorwurf der Geschmacklosigkeit gegenüber Netanjahu laut. Er habe den Zeitpunkt für seinen Immigrationsaufruf so kurz nach den Attentaten unglücklich gewählt, hieß es. Andere warfen ihm vor, politischen Profit aus den Attentaten schlagen zu wollen. „Gewalt ist nicht unser Partner“, distanzierte sich Natan Scharansky, Chef der Jewish Agency, der offiziellen Einwanderungsorganisation, die die Reisekosten übernimmt und Starthilfen für die Einwanderer finanziert. Ein Kommentar in der liberalen Zeitung „Haaretz“ nannte Netanjahus Kampagne gar eine klare Kapitulation vor dem Terror. Die Ermutigung zur Massenemigration helfe den terroristischen Fanatikern, die Aufgabe zu erledigen, die die Nazis und ihre Vichy-Kollaborateure einst in Angriff nahmen: Frankreich „judenrein“ zu machen.

Mobilisierung für Parlamentswahlen

Unbeirrt von der Kritik nutzt Netanjahu die Gunst der Stunde möglicherweise auch zur Mobilisierung für die Parlamentswahlen in einem Monat. Jerusalem treibt ein Sofortmaßnahmenpaket voran, um die Juden nun vor allem aus Frankreich, Belgien und der Ukraine zur Immigration zu ermutigen. Umgerechnet rund 40 Millionen Euro sollen in Hebräischkurse und Informationsveranstaltungen für Interessierte fließen.

Gerade unter den französischen Juden, die immigriert sind, wird indes auch Kritik laut wegen mühsamer bürokratischer Prozesse in Israel, mangelnder Möglichkeiten, Hebräisch zu lernen, und der schlechten Arbeitsmarktlage bei gleichzeitig hohen Lebenshaltungskosten. Die Vereinigung der Europäischen Juden (EJA) sieht die Lösung eher darin, das Leben für die Juden in Europa sicherer zu machen, und forderte besseren Schutz für die Gemeinden und Bewachung aller jüdischen Einrichtungen rund um die Uhr. EJA-Chef Rabbi Menachem Margolin würde sich des Problems gern auch selbst annehmen und appelliert an die EU, „es für Juden viel leichter zu machen, eine Waffe bei sich zu tragen“. Diese Methode ist unter den Juden Europas indes umstritten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2015)

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