Die neue arabische Militärallianz gegen die IS-Extremisten

Ägypten interveniert schon seit Monaten militärisch im benachbarten Libyen, um dort General Haftar zu unterstützen. Jetzt muss es aus seinen Luftangriffen kein Geheimnis mehr machen - und reiht sich in die Liste der arabischen Staaten, die offen Krieg gegen den IS führen.

Die ganze Welt befindet sich in einem heftigen Kampf gegen extremistische Gruppen mit einer extremistischen Ideologie.“ Auch Ägypten habe das Recht, sich zu verteidigen. So kündigte Ägyptens Präsident, Fatah al-Sisi, seine Vergeltungsschläge gegen die IS-Extremisten in Libyen an. Die Enthauptung von 21 christlichen Landsleuten in Sirte gab al-Sisi nun einen Grund für einen offenen Militäreinsatz im Nachbarland. Er muss nun aus seiner Intervention kein Geheimnis mehr machen. Seit Monaten schon fliegt Ägyptens Luftwaffe Einsätze gegen Islamisten in Libyen. Die Bombardements sind als Unterstützung der Operation Würde gedacht, die der libysche General Khalifa Haftar im Mai in Bengasi gestartet hatte. Der 73-jährige Militär will Extremisten „entweder unter die Erde bringen oder aus dem Land treiben“, sagte er der „Presse“.

Für al-Sisi ist General Haftar ein idealer Verbündeter. Der ägyptische Präsident hat im eigenen Land große Probleme mit Islamisten, und zwar nicht so sehr mit den Anhängern des abgesetzten Staatsoberhaupts, Präsidenten Mohammed Mursi. Auf dem Sinai ermordet die IS-Gruppe, vormals Ansar Bait al-Maqdis, beinahe täglich Polizisten und Soldaten bei Bombenanschlägen und Hinterhalten. Aus Libyen soll die Hauptunterstützung für die Extremisten auf der ägyptischen Halbinsel kommen. Diese Verbindungen will al-Sisi nun kappen.

Terrorausbildungslager in Derna

Die Angriffe der ägyptischen Luftwaffen galten am Montag Derna. Die Hafenstadt hatte sich nach dem Ende der libyschen Revolution gegen Diktator Muammar Gaddafi im Oktober 2011 zum Brutplatz des Terrorismus entwickelt. Zu Tausenden kamen Extremisten aus aller Herren Länder nach Derna, um sich in Ausbildungslagern im Terrorhandwerk trainieren zu lassen. Danach wurden sie nach Syrien geschleust, um dort im Bürgerkrieg zu kämpfen. Darunter waren auch einige deutsche radikale Islamisten, wie der Ex-Rapper Deso Dogg. Er firmiert heute unter dem Namen Abu Talha al-Almani und wurde von den Vereinigten Staaten auf die Terrorliste gesetzt.

Noch letztes Jahr war Derna in der Hand der al-Qaida-nahen Gruppe Ansar al-Scharia. „Heute hat der IS übernommen und bestimmt, was in der Stadt passiert“, sagt ein Beamter der libyschen Sicherheitsbehörden. „Al-Qaida hat sich in die Außenbezirke verzogen.“ In Derna und in den umliegenden Bergen sollen Trainings- und Waffenlager liegen. Mittlerweile sind viele Syrien-Kämpfer nach Libyen zurückgekehrt, die sich dort der IS-Miliz angeschlossen hatten. „Unter ihnen sind nicht nur Libyer“, erklärt der Sicherheitsbeamte. „Sie kommen aus Saudiarabien, Tunesien, dem Jemen und manche sogar aus Pakistan.“ Es ist eine internationale Mischung aus Jihadisten, wie man sie nicht anders in Syrien und dem Irak antrifft.

Ägypten ist eines der letzten arabischen Länder, das nun offiziell der Terrorgruppe IS über alle Grenzen hinweg den Kampf angesagt hat. Die arabische Welt scheint im Kampf gegen den Terror einig wie selten zuvor zu sein. Vor zwei, drei Jahren galten Katar, Saudiarabien, Bahrain, Kuwait oder auch die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE) als Finanziers für radikale Islamisten in Syrien und im Irak. Geld soll an al-Qaida-nahe Gruppen, aber auch an die IS-Terrormiliz gegangen sein. Nun aber bombardieren Kampfjets aus den Golfstaaten die Extremisten in Syrien und im Irak. Die Emirate haben bereits angekündigt, Ägypten in „allen Belangen“ bei seinem Einsatz in Libyen zu unterstützen, „um den Terrorismus auszurotten“. Die Golfstaaten haben scheinbar erkannt, dass die IS-Extremisten auch eine Gefahr für ihre Emirate und Königreiche sind.

Nach der Gefangennahme und grausamen Verbrennung des jordanischen Piloten Moaz al-Kasasbeh hatten die Emirate ihre Beteiligung an der internationalen Anti-IS-Koalition kurzfristig eingestellt. Erst nachdem Jordanien sich unnachgiebig gezeigt und begonnen hatte, seine Bomber nach Syrien und in den Irak zu schicken, kam die Kehrtwendung aus den Emiraten. Der Riss in der gemeinsamen Front arabischer Länder gegen die Terrororganisation IS ist gekittet. Und mit der entschlossenen Haltung Ägyptens wird sie noch gefestigter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2015)

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