Der Todesschütze von Kopenhagen

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Der 22-jährige Attentäter hatte palästinensische Wurzeln und galt als notorischer Judenhasser. Er stammte aus dem Bandenmilieu und kam erst vor Kurzem frei.

Kopenhagen. „Ich bin genauso schockiert wie der Rest der Welt. Ich habe es erst von der Polizei gehört“, sagte der Vater des Todesschützen von Kopenhagen der Zeitung „Jyllands-Posten“. Der 22-jährige Attentäter, der zwei Menschen auf dem Gewissen hat, heißt Omar Abdel Hamid el-Hussein, hat palästinensische Wurzeln und war erst vor wenigen Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden.

Im November 2013 hatte er einen Messerangriff auf einen 19-jährigen Mann in einer S-Bahn verübt und war dafür zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Er sei in Kopenhagen aufgewachsen, soll frühzeitig Kontakt zum Bandenmilieu gehabt und den Umgang mit Waffen erlernt haben, berichten dänische Medien.

Bekannte bezeichnen ihn als aufbrausend und impulsiv, wegen seines Temperaments sei er immer wieder in Streitigkeiten geraten. „Er liebte es, über den Islam zu diskutieren. Vor allem aber über den Nahost-Konflikt. Er scheute sich nicht davor, offen zu bekennen, dass er Juden hasste“, erzählte einer, der den 22-Jährigen und seine Familie, die einst einst aus Palästina nach Dänemark geflohen war, näher kannte.

Eher ein Krimineller

Vor seiner Gefängnisstrafe wirkte el-Hussein eher wie ein Gewaltverbrecher als ein religiöser Extremist, sagte der Journalist Jesper Larsen, der über die damalige Messerstecherei berichtet hatte. „Er wirkte nicht religiös beeinflusst, eher das Gegenteil. Er machte eher den Eindruck eines gefühlsmäßig abgestumpften Kriminellen.“

Zeitungsberichten zufolge könnte der junge Mann im Gefängnis radikalisiert worden sein. El-Hussein sei in Mjönerparken, einem Stadtgebiet mit reger Bandenkriminalität, groß geworden. „Dort wächst man mit Schießereien und Morden auf. Die Kleine-Brüder-Generation, die dort heranwächst, ist oft härter als ihre großen Brüder“, sagt der Sozialarbeiter Aydin Soei. „Ich wusste, dass er gläubig war, aber nicht, dass er so gläubig war. Er konnte muslimische Mädchen in der Klasse kritisieren, wenn sie etwas taten, was nicht zur Religion passte. Etwa wenn sie Alkohol tranken“, schilderte ein Schulfreund der Zeitung „BT“. „Er war ein sehr fleißiger und begabter Schüler, der sich rein fachlich gut geschlagen hat“, sagte der Direktor der Schule.

Anzeichen für Mittäter

Während immer mehr Einzelheiten über den mutmaßlichen Täter bekannt wurden, mehrten sich am Montag auch Anzeichen auf Mittäter. In Kopenhagen wurden ein 19-jähriger und ein 22-jähriger Mann verhaftet, gab die Polizei am Montag bekannt. Sie werden verdächtigt, dem Täter mit einem Versteck geholfen und ihm Waffen besorgt zu haben. Allerdings gab ein Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft nach vier Wochen Untersuchungshaft und Isolation nicht statt. Die zwei Männer dürfen nur acht Tage und ohne Isolation in U-Haft verweilen. Das deutet laut Rechtsexperten darauf hin, dass die Beweislage bisher noch relativ dünn sei.

El-Hussein hatte am Samstag das Feuer auf ein Kulturzentrum eröffnet, in dem der Mohammed-Karikaturist Lars Vilks an einer Veranstaltung zum Thema Religion und Meinungsfreiheit teilgenommen hatte. Auf Vilks haben extremistische Organisationen ein Kopfgeld ausgeschrieben. Ein Mann wurde getötet, drei Polizisten wurden verletzt. In der folgenden Nacht hatte der flüchtige Täter einen jüdischen Wachmann vor einer Synagoge ermordet. Später wurde der Mörder von der Polizei getötet, weil er sich nicht ergeben wollte.

Noch am Wochenende ist die Polizei davon ausgegangen, dass der Täter vermutlich ein Einzeltäter ohne Kontakten zu Terrornetzwerken gewesen sei. Nun heißt es indes, dass er die Absicht gehabt habe, sich den Milizen des Islamischen Staats in Syrien anzuschließen.

Während die Dänen bei Trauerkundgebungen Solidarität mit den Opfern bezeugten, deponierten manche auch Dutzende Blumensträuße und Kerzen an jenem Ort in der Nähe der Wohnung des Attentäters, wo die Polizei dem Leben des 22-Jährigen ein Ende setzte. Indessen richteten Politiker wie Angela Merkel und Frankreichs Premier, Manuel Valls, einen Appell an jüdische Bürger, Europa nicht den Rücken zu kehren.

ZUR PERSON

Der Attentäter Omar Abdel Hamid el-Hussein (22), als Sohn palästinensischer Emigranten in Dänemark zur Welt gekommen, bezeichnete Palästina als seine zweite Heimat und entwickelte einen notorischen Hass auf Juden. Angeblich wollte er sich dem IS anschließen. Wegen einer Messerattacke saß er bis vor wenigen Wochen im Gefängnis. [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2015)

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