Ukraine: Minsker Friedensplan droht das Scheitern

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Ukraine(c) REUTERS (BAZ RATNER)
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Separatisten haben den Großteil der Stadt Debaltsewo eingenommen. Das bestätigte am Dienstagnachmittag auch die ukrainische Regierung. Sturm auf die Stadt könnte ein vorzeitiges Aus der Friedensbemühungen bedeuten.

Debaltsewo/Kiew/Wien. Debaltsewo, die strategisch wichtige Stadt entlang der Verbindungsstraße zwischen Donezk und Luhansk, ist am Dienstag nach schweren Gefechten weitgehend in die Hände der prorussischen Separatisten gefallen. Das bestätigte Dienstagnachmittag auch das ukrainische Verteidigungsministerium auf seiner Homepage: „Die Terroristen haben Teile der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht.“

Die Eskalation hatte sich abgezeichnet: Trotz vereinbarter Waffenruhe hatte es seit Tagen Kämpfe um Debaltsewo gegeben. Am Dienstag rückten die Rebellen dann in die Stadt ein, die bisher von ukrainischen Soldaten gehalten worden war. Bereits am Nachmittag wurde in sozialen Medien berichtet, dass die Separatisten rasch 80 Prozent des Territoriums unter ihrer Kontrolle bringen konnten. „Der Vormarsch verläuft sehr aktiv“, erklärte ein Sprecher der Aufständischen. Die ukrainische Regierung in Kiew hatte zunächst von heftigen Straßenkämpfen nahe dem Bahnhof gesprochen. Auch Separatistenführer Alexander Sachartschenko soll am Bein verwundet worden sein.

Tote und Gefangene

Nach prorussischen Angaben haben sich mehrere ukrainische Soldaten ergeben. Das Verteidigungsministerium in Kiew gab an, dass eine Gruppe von Armeeangehörigen von den Separatisten gefangen genommen worden sei. Mindestens fünf Soldaten wurden demnach im gesamten Kampfgebiet binnen 24 Stunden getötet. Die Zahl der Opfer könnte aber auch höher liegen.

Vor dem Einmarsch in Debaltsewo hatten die Aufständischen die ukrainische Armee bereits von ihrer Versorgungsroute abgeschnitten. Beobachter der OSZE wurden nicht in die Stadt gelassen. Mit dem Vorstoß in Debaltsewo droht der vergangene Woche im weißrussischen Minsk eingeleitete Friedensprozess in der Region zu scheitern. Im Ringen um eine politische Lösung des Konflikts hatte die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, laut ihrem Sprecher, Steffen Seibert, in einem Telefonat mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, „konkrete Schritte“ vereinbart, um eine Beobachtung der Lage in Debaltsewo zu ermöglichen. Merkel und Poroschenko appellierten den Angaben nach zudem in dem Telefonat am Montag an Putin, seinen Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen, damit diese das Feuer einstellten. Eigentlich sollten die Konfliktparteien ab dem gestrigen Dienstag ihre schweren Waffen aus dem Donbass abziehen. Doch schon die Gefechte wurden als massiver Verstoß gegen den Minsker Plan interpretiert.

„Keine Abzugsvoraussetzungen“

„Es gibt vonseiten der Aufständischen keine wirkliche Waffenruhe, deshalb sind die Voraussetzungen (für einen Abzug) nicht gegeben“, sagte am Dienstag dann auch der ukrainische Militärsprecher Andrej Lyssenko in Kiew. Die Armee sei weiter bereit zur Bildung einer Pufferzone. „Unsere Stellungen werden aber wiederholt unter Feuer genommen“, beklagte er.

In Donezk warf Separatistensprecher Eduard Bassurin den Regierungseinheiten ihrerseits vor, besonders bei Debaltsewo die Waffenruhe gebrochen zu haben. „Wir mussten das Feuer erwidern“, sagte Bassurin. Der Luhansker Separatistenführer Igor Plotnizki sagte der Agentur Tass zufolge hingegen, dass seine Truppen mit dem Abzug schwerer Waffen begonnen hätten. „Ich war in der Nacht an der Front, unsere Artillerie und Panzer rückten ab“, sagte er. Unabhängige Berichte dazu gab es nicht. (ag./red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2015)

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