USA: Obama bekämpft Jihad-Tourismus mit Bürokratie

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Seit seinem Amtsantritt versucht US-Präsident Obama vergeblich, mit Beiräten, Arbeitskreisen und Konferenzen die Anziehungskraft des Jihadismus einzudämmen.

Washington. Am Donnerstag war Barack Obama in seinem Element. In seiner binnen 24 Stunden zweiten Rede zur Frage, wie sich der Reiz von Terrorgruppen auf junge Menschen vermindern lasse, appellierte der Präsident in der Sprache des einstigen Universitätsprofessors an die in Washington versammelten Vertreter von knapp 60 Staaten und internationalen Organisationen: „Wir alle haben die Verantwortung, die Vorstellung zurückzuweisen, dass der IS den Islam repräsentiert. Die Vorstellung, dass der Westen im Krieg mit dem Islam sei, ist eine hässliche Lüge.“

Im höflichen Applaus der zum Zweck einer Konferenz gegen gewalttätigen Terrorismus versammelten Honoratioren ging die Paradoxie unter, dass sich nach sechs Jahren der Anstrengungen Obamas um Versöhnung zwei der brutalsten und ideologisch härtesten islamistischen Terrororganisation aller Zeiten in Nord- und Westafrika sowie dem Nahen Osten ausbreiten, nämlich der IS und Boko Haram. Während der Friedensnobelpreisträger jedes Wort auf die Goldwaage legt, um den Eindruck zu vermeiden, ziehen die selbst ernannten Gotteskrieger junge Anhänger aus fast aller Herren Länder an.

Obamas Botschaft des Verständnisses fällt, seit er sie 2009 in der damals ebenso hochgepriesenen wie in weitere Folge wirkungslosen Kairoer Ansprache erstmals formulierte, auf taube Ohren. Die USA sind in der arabischen Welt nach sieben Jahrzehnten der politischen Einmischung und militärischen Intervention unglaubwürdig. Gewiss hat der Präsident viel Mühe damit, den Schaden zu reparieren, den sein Vorgänger George W. Bush mit messianischen Appellen für einen neuen „Kreuzzug“ hinterlassen hat.

Doch Obama hat dem Jihad-Tourismus selbst Rückenwind verliehen. Junge Dissidenten in Regimen wie Ägypten oder Usbekistan mussten sich verhöhnt fühlen, als der Präsident am Donnerstag dozierte, dass Regierungen „die Saat von Extremismus und Gewalt“ ausbrächten, wenn sie „ihr Volk unterdrücken, Menschenrechte verweigern und Widerspruch ersticken“. Beide Länder erhalten von Washington große Militärhilfe, Usbekistan erst neulich hunderte minenfeste Mannschaftswagen aus US-Beständen.

Der nächste US-Sondergesandte

Allerlei Arbeitsgruppen, Beiräte und Sondergesandte hat Obama in und um das Weiße Haus und die Bundesministerien angesiedelt, um die Radikalisierung junger Muslime in den USA einzudämmen; neuester Hoffnungsträger ist der in Yale und Harvard ausgebildete Jurist und Arabist Rashad Hussain als „Koordinator für strategische Anti-Terrorismus-Kommunikation“. Diese aufquellende Bürokratie ist kaum wirksam und manchmal sogar kontraproduktiv. Den Fluss an Jihad-Terroristen und Geldern aus der somalischen Gemeinde in und um Minneapolis etwa versucht man mit einem Dialog mit Gemeindeälteren zu bremsen, doch der Ansprechpartner ist ein US-Staatsanwalt. Ob junge Somalier, die dem Staat und seinen Organen nach tatsächlichen oder behaupteten Übergriffen feindselig gegenüberstehen, an so etwas teilnehmen wollen, ist fraglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2015)

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