„Sie würden euch Terroristen nennen“

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epaselect UKRAINE MAIDAN PROTESTS ANNIVERSARY(c) APA/EPA/SERGEY DOLZHENKO (SERGEY DOLZHENKO)
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Der Umsturz vor einem Jahr versetzte den ukrainischenGeschäftsmann Nestor Schufritsch auf die Oppositionsbank. Der OSZE-Delegierte wirft der Regierung vor, mit den Rebellen nicht verhandelt zu haben.

Wien. Der Mann mit der Narbe auf der linken Wange ist einer der Verlierer des 21.Februar 2014. Ein Jahr nach der Flucht seines Parteifreundes und Präsidenten Viktor Janukowitsch aus Kiew gibt es dessen Partei der Regionen nicht mehr, der nachfolgende prorussische Oppositionsblock hat es bei den Parlamentswahlen im Herbst 2014 auf magere 9,4 Prozent gebracht.

Natürlich verurteile er, was sich da vor einem Jahr auf dem Kiewer Maidan zugetragen hat, sagt der Parlamentsabgeordnete Schufritsch im „Presse“-Gespräch. Nach dem Umsturz habe die neue Führung sein Land heruntergewirtschaftet.

Die Ukraine dürfe wegen der EU-Annäherung auch nicht die jahrhundertealten Verbindungen mit Russland vergessen, warnt der Geschäftsmann. Die russische Krim-Annexion lehnt der einzige OSE-Delegierte des Oppositionsblicks aber ab: „Für mich sind Krim und Donbass Ukraine.“

Schufritsch wird dem Umfeld des in Wien festsitzenden Kreml-Vertrauten und ukrainischen Oligarchen Dmitrij Firtasch zugerechnet. Seit dem Umsturz fiel er zweimal auf: Er war am anderen Ende der Leitung, als Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko nach der Krim-Annexion schimpfte, dass sie Putin eine Kugel in den Kopf jagen wollte. Ein Mitschnitt des Telefonats gelangte an die Öffentlichkeit. Ein zweites Mal machte der 48-Jährige im Herbst Schlagzeilen, als er in der Hafenstadt Odessa vor laufender Kamera verprügelt wurde.

Schufritsch glaubt an das Minsk-II-Abkommen zur Beilegung des Ukraine-Konflikts. Er sprich von einer realistischen Chance auf Frieden. Und zwar wegen der Mitverhandler Angela Merkel und Francois Hollande. Nicht wegen seines Präsidenten Petro Poroschenko.

Der Oppositionspolitiker, einst Minister für Notfälle, sagt zwar, dass die Suche nach Schuldigen den Friedensprozess „zerstören kann“. Zugleich klingt durch, dass er die Hauptverantwortung in Kiew sieht. Er sei am Anfang der Verhandlungen mit den „Rebellen“ dabei gewesen. Damals hätten sie (wie er selbst) nur mehr Rechte für die Regionen verlangt. Keine Unabhängigkeit. „Doch die Regierung hat den anderen Weg eingeschlagen“, sagt Schufritsch. Anti-Terror-Einsatz in der Ostukraine. Er habe daraufhin der neuen Führung erklärt: „Wenn ihr nicht an die Macht gekommen wärt, und die Chance war groß, dann würden sie euch heute Terroristen nennen.“ (strei/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2015)

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