Spanien: Rajoy zittert vor Ohrfeige im Superwahljahr

(c) REUTERS (JUAN MEDINA)
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Bei den heurigen Regional- und Parlamentswahl befürchten die ein Debakel: 86 Prozent der Spanier haben kein Vertrauen in die Regierung. Protestparteien wie Podemos und Cuidadanos boomen.

Madrid. Wenn die Macht in Gefahr ist, neigen Regierende dazu, den Bürgern Wohltaten zu versprechen. Das ist in Spanien nicht anders: Das Euro-Krisenland, dessen Banken 2012 mit 41 Mrd. Euro gerettet werden mussten, befindet sich im Superwahljahr. Demnächst wird nicht nur die Macht im Parlament, sondern auch in den Regionen und Kommunen neu verteilt.

Wohl auch aus diesem Grund nutzte der konservative Regierungschef, Mariano Rajoy, seine Rede zur Lage der Nation, um sich anderthalb Stunden lang an die Brust zu klopfen: Er rief das Ende der Krise aus, die das Land seit in 2007 in den Abgrund zieht. „Die Nation hat den Albtraum hinter sich gelassen.“ Spanien gehe es „wieder besser“: Die Wirtschaft wuchs im Jahr 2014 tatsächlich um 1,4 Prozent, 2015 sollen es sogar 2,4 Prozent mehr sein. Und Rajoy versprach „eine Million Jobs“ für das Land, in dem 24 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung keinen Job hat – bei den unter 25-Jährigen sind es sogar 51 Prozent.

Volk spürt Aufschwung nicht

Schöne Worte, die aber offenbar nicht ankommen: Die im Fernsehen übertragene Debatte interessierte kaum jemanden. Zumal die soziale Wirklichkeit der meisten Spanier anders aussieht, vom verkündeten Aufschwung spürt das Volk wenig. Massenarbeitslosigkeit, Kürzung staatlicher Leistungen und sinkende Löhne sorgen dafür, dass die Familien immer weniger Geld in der Tasche haben.
„Wir Spanier haben einen hohen Preis bezahlt“, gestand Rajoy jedoch ein und stellte einen Ausbau sozialer Programme sowie Hilfe für überschuldete Haushalte in Aussicht.

Doch die Glaubwürdigkeit von Rajoys konservativer Regierungspartei, deren Ruf auch wegen einer unendlichen Serie von Korruptionsskandalen angeschlagen ist, wird von den Bürgern als ziemlich gering eingeschätzt: Laut einer neuen Umfrage haben 86 Prozent der Spanier „wenig oder kein Vertrauen“ in Rajoy und seine Mannschaft. Offenbar steuert die Volkspartei, die 2011 noch eine absolute Mehrheit einfuhr, 2015 auf eine der schlimmsten Wahlniederlagen ihrer Geschichte zu.

Teure Wahlversprechen

Die erste Ohrfeige droht den Konservativen im Mai bei den spanischen Regional- und Rathauswahlen. Sie gelten als Stimmungstest für die Parlaments- und Regierungswahlen Ende des Jahres. Wenn sich die Meinungsforscher nicht täuschen, wird die Parteienlandschaft, die bisher von Konservativen und Sozialisten dominiert wurde, ein politisches Erdbeben erleben: Die aufsteigende linke Protestpartei Podemos, die mit dem in Griechenland regierenden Syriza-Bündnis sympathisiert, könnte zum entscheidenden Machtfaktor werden. Weitere Gefahr droht Rajoy im politischen Zentrum, wo die ebenfalls boomende liberale Bürgerpartei Cuidadanos zum Angriff ansetzt.

Angesichts dieser Aussichten bemühen sich die Konservativen, durch neue Großzügigkeit Punkte zu machen: Der Staatsetat für den Unterhalt von Straßen wurde plötzlich auf mehr als zwei Mrd. Euro erhöht. Auch jede Menge fehlender Schnellzugstrecken mit einer Länge von rund 1000 km will man im Superwahljahr 2015 fertigbauen – und werbewirksam eröffnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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