Ostafrika: Fragile Hoffnung für Somalia

People run away from an explosion at a petrol station and storage facility near the Bakara open-air market in Somalia´s capital Mogadishu
People run away from an explosion at a petrol station and storage facility near the Bakara open-air market in Somalia´s capital Mogadishu(c) REUTERS (ISMAIL TAXTA)
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Die USA ernennen wieder einen Botschafter für Somalia, der Westen sieht eine Chance für das Krisenland. Doch der Kampf gegen den Terror ist längst nicht gewonnen.

Wien/Mogadischu. Es war nur ein kurzes Statement, aber das Weiße Haus bezeichnete den Inhalt selbst als „historisch“. In wenigen Sätzen teilte das US-Außenamt in der Nacht auf Mittwoch mit, US-Präsident Barack Obama habe die Diplomatin Katherine Simonds Dhanani als Botschafterin für Somalia nominiert. Bestätigt sie der US-Senat, wäre es das erste Mal seit 1991, dass Washington wieder einen Botschafter für Somalia hat.

Der Schritt zeigt, dass die Staatengemeinschaft nach über zwei Jahrzehnten des Bürgerkriegs Chancen auf einen Wandel sieht. Das US-Außenamt jedenfalls lobte den „Fortschritt des somalischen Volkes in den Bemühungen, aus den Jahrzehnten des Konflikts herauszukommen“. Noch aber wird auch Dhanani im benachbarten Kenia stationiert und nicht in Somalias Hauptstadt Mogadischu – aus Sicherheitsgründen.

Seit Anfang Februar hat Somalia wieder eine Regierung. Nach langem Streit bestätigte das Parlament das Kabinett von Premier Omar Abdirashid Ali Sharmake. Die neuen Minister müssen nun einen ehrgeizigen Zeitplan umsetzen: Im März 2016 soll die Bevölkerung in einem Referendum über eine neue Verfassung abstimmen, im Herbst nächsten Jahres sollen dann Wahlen stattfinden.

Mit massiver Hilfe der 22.000 Mann starken Militärmission Amisom der Afrikanischen Union (AU), die inzwischen auch zuvor unabhängig operierende Truppen der Nachbarländer Kenia und Äthiopien integriert hat, ist es der Übergangsregierung gelungen, die Kontrolle über die Hauptstadt Mogadischu und andere Städte des Landes zu übernehmen. Mit der größeren Stabilität in einigen Teilen des Landes sind auch die privaten Investitionen gestiegen, und lokale Geschäftsleute äußern die Hoffnung auf baldige wirtschaftliche Erholung. Amisom wird auch von der EU finanziert, für die Periode 2007 bis 2012 waren dafür 325 Millionen Euro veranschlagt. „Wir finanzieren dort einen Krieg“, kommentiert ein EU-Diplomat.

(C) DiePresse

Terror in der Sicherheitszone

Doch den Verbesserungen steht ein riesiger Haufen Probleme gegenüber – allen voran die immer noch dramatische Sicherheitslage. Auch wenn die Terrormiliz al-Shabaab aus einigen Landesteilen verdrängt werden konnte und durch gezielte US-Drohnenangriffe geschwächt wurde, bleibt sie ein Faktor der Unsicherheit. Anschläge ereignen sich täglich, und mit dem blutigen Selbstmordattentat auf ein Hotel in Mogadischu am vergangenen Wochenende hat die Gruppe demonstriert, dass sie auch in jenen Bereichen Terror ausüben kann, die als besonders sicher gelten. In dieser Hinsicht befinde sich Somalia heute mehr im Krieg als früher, sagt der Somalia-Experte Cedric Barnes vom Thinktank International Crisis Group der „Presse“.

Dass die neue Regierung die Sicherheitslage in den Griff bekommen kann, ist alles andere als sicher. Stets haben sich in Somalia Präsident und Premierminister einen Machtkampf geliefert, auch unter dem jetzigen Staatsoberhaupt, Hassan Sheikh Mohamud. Das neue Kabinett kam erst im dritten Anlauf zustande, die meisten Minister haben wenig politische Erfahrung. Auch fürchten Experten, dass der baldige Wahltermin wichtige politische Aufbauarbeit verzögern könnte, weil sich die Politiker zunächst auf den Wahlkampf konzentrieren. Barnes: „Somalia ist nicht bereit für Wahlen.“ Zudem droht die unsichere regionale Lage jegliche Fortschritte in Somalia zunichtezumachen, besonders der Kollaps der Strukturen im Jemen. Al-Shabaab hat sich zur al-Qaida im Jemen bekannt, wenn diese ihre Aktivitäten in der Region wieder ausweitet, könnte davon auch die somalische Terrorgruppe profitieren.

Eine Sorge ist auch, dass kriminelle Strukturen durch eine Entscheidung in den USA wieder an Zulauf gewinnen könnten: Pro Jahr werden rund 1,3 Milliarden US-Dollar von der Diaspora aus dem Ausland nach Somalia überwiesen – Geld, auf das die Menschen angewiesen sind. Die wichtigste Bank in diesem Geschäft hat die Transfers nun gestoppt. Bleibe es dabei, müssten sich viele Menschen neue Einkommensmöglichkeiten suchen, was womöglich auch wichtige Fortschritte in der Verbrechens- und Terrorbekämpfung zunichtemachen könnte, warnen Beobachter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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