Israel: Netanjahus private Affären und sein politisches Risikospiel

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Im Wahlkampf haben bisher Enthüllungen über das Luxusleben des Premiers und der First Lady für Furore gesorgt. Die Washington-Visite soll nun davon ablenken.

Jerusalem. Im israelischen Wahlkampf schlagen Benjamin Netanjahu und seiner Frau Sara Wogen der Kritik entgegen. Der Rechnungshof fällte ein vernichtendes Urteil über die private Budgetführung des Premiers und der First Lady, die Angestellte in der Residenz in Jerusalem und im Zweitdomilzil in Caesarea schikaniert und malträtiert haben soll.

Es geht um Alkohol und Eis, um Pfandflaschen und Annehmlichkeiten wie den Ausbau des Regierungsflugzeugs. „Bottlegate“, die Pfandflaschen-Affäre, rief sogar einen Sonderermittler auf den Plan, der womöglich noch vor der Neuwahl in zwei Wochen die Netanjahus kompromittieren könnte. Um die Peinlichkeiten zu konterkarieren, führte Sara Netanjahu einen fashionablen Moderator durch ihr privates Reich und zeigte dabei ihre recht ramponierte Küche vor – und stürzte dabei in eine neue Peinlichkeit. Wie sich herausstellte, handelte es sich um die Küche der Bediensteten. Die private Küche der Netanjahus liegt einen Stock höher.

Als die beiden am Sonntag indessen zu ihrem umstrittenen Besuch nach Washington aufbrachen, zeigten sie sich nach außen hin freilich unbeeindruckt. Hand in Hand schritten sie demonstrativ übers Flugfeld des Ben-Gurion-Flughafens in Tel Aviv. „Ich fühle mich als Gesandter aller israelischen Bürger, auch derer, die nicht meiner Meinung sind“, gab sich Netanjahu vor dem Abflug nach Washington voller Selbstbewusstsein, wo er ehute eine Ansprache vor der Aipac-Konferenz – der mächtigsten jüdischen Lobby des Landes – halten wird, um tags darauf in seiner Rede vor dem US-Kongress das Menetekel vom „atomaren Holocaust“, einer Auslöschung Israels, zu entwerfen.

Wahlkampfthema Iran

Oppositionsführer Jitzhak Herzog, Chef des Mitte-Links-Bündnisses „Zionistische Union“, warnte vor einem „schweren Fehler“. Netanjahus werde die Möglichkeiten Israels unterminieren, Einfluss zu nehmen und „sicherzustellen, dass Iran niemals in den Besitz von Atomwaffen kommt“.

Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm sind ein zentrales Thema im Wahlkampf. Dabei sind sich Israels Spitzenpolitiker einig darin, dass der sich abzeichnende Kompromiss mit dem Ajatollah-Staat für Israel durchaus bedrohlich sein könnte. Der Parteienzwist dreht sich vielmehr um die Methode, wie das Abkommen am effektivsten zu verhindern sei.

Netanjahu versucht, die Atomfrage mit allen Mittel propagandistisch auszuschlachten. Ein Video-Clip auf der Homepage des Likud erinnert daran, dass die USA 1948 davor warnten, den Staat Israel auszurufen. „Wo wären wir heute“, fragt eine Stimme aus dem Off, „hätte David Ben-Gurion damals auf die Amerikaner gehört“. Per Tastendruck ist der auch souveräne Redner Netanjahu in geschliffenem Englisch mal vor der UN-Generalversammlung zu sehen und zu hören, mal vor der eigenen Partei oder vor internationalen jüdischen Organisationen.

Mehrheit gegen „Bibi“-Rede

Israels Opposition unterstellt dem Premier derweil naturgemäß politische Interessen. „Die USA sind unser strategischer Bündnispartner“, warnte Tzipi Livni, ehemals Justizministerin in Netanjahus Kabinett, zuvor Außenministerin und heute Partnerin der Sozialdemokraten in der „Zionistischen Union“, einem Bündnis mit der einst dominierenden und inzwischen abgehalfterten Labor-Partei. Wie ihr Co-Partner Herzog fürchtet sie, dass Netanjahus Rede Israel mehr schaden als nutzen bringen werde. Nur für den Preis von ein paar Stimmen in den Wahlurnen, so resümieren die beiden Oppositionsführer, zerstöre Netanjahu diese so wichtige Allianz mit Washington.

Einer im israelischen Fernsehen „Channel Two“ veröffentlichten Umfrage zufolge sind 50 Prozent der Israelis gegen Netanjahus Kongress-Rede. Für Netanjahu zeitlich kaum ungünstiger hätte zudem ein Bericht im britischen „Guardian“ kommen können, wonach der Mossad, Israels Auslandsgeheimdienst, der Einschätzung einer atomaren iranischen Gefahr widerspreche, wie Netanjahu sie vor gut zwei Jahren vor der UNO in New York ausmalte.

Das Blatt beruft sich dabei auf ein „Top-secret“-Dokument des Mossad, das dem arabischen Sender Al Dschasira zugespielt worden sei. In dem vom „Guardian“ veröffentlichten Text war die Rede davon, dass der Iran „anscheinend noch nicht bereit ist zur Anreicherung auf einem höheren Level“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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