Washington-Jerusalem: Diese Achse hält

ISRAEL DIPLOMACY US NETANYAHU
ISRAEL DIPLOMACY US NETANYAHUAPA/EPA/Amos Ben Gershom / GPO h
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Die Führer Amerikas und Israels sind einander zwar spinnefeind. Auf das starke sicherheitspolitische Bündnis ihrer Staaten hat das aber keine Auswirkung.

Washington. Barack Obama und Benjamin Netanjahu – das wird keine große Freundschaft mehr. Die gegenseitige Abneigung des US-Präsidenten und des israelischen Regierungschefs erreicht am Dienstag ihren symbolischen Tiefpunkt. Netanjahu wird zum dritten Mal vor dem Kongress sprechen – aber bei seinem Besuch in Washington weder Obama noch andere Regierungsvertreter treffen. Vier Senatoren und mehrere Abgeordnete der Demokraten haben bereits erklärt, seinen Auftritt zu boykottieren.

In zwei Wochen wird in Israel ein neues Parlament gewählt. Netanjahu muss Umfragen zufolge um sein Amt zittern. Seinen Washingtoner Redeauftritt hat er ohne Absprache mit dem Weißen Haus direkt mit John Boehner vereinbart, dem republikanischen Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses. Das ist nicht nur ein Bruch des Protokolls, es macht aus einem Staatsbesuch einen parteipolitischen Streitgegenstand. „Ich denke, dass das destruktiv für das Gewebe unserer Beziehungen ist“, ließ Obama seine Beraterin für nationale Sicherheit, Susan Rice, Netanjahus Handeln kritisieren. „Ich respektiere das Weiße Haus und den Präsidenten, aber bei so einer wichtigen Angelegenheit, die bestimmen würde, ob wir existieren oder nicht, ist es meine Pflicht, alles zu tun, um diese große Gefahr von Israel abzuwenden“, schoss Netanjahu zurück. Die große Gefahr, das ist in seinen Augen ein Abkommen mit dem Iran, das dessen Arbeiten an einer Atomwaffe nicht eindämmt.

USA zahlen Fünftel von Israels Militäretat

Das Tischtuch zwischen den beiden ist zerrissen. Netanjahu ist erbost darüber, dass Obamas ehemaliger Internet-Kampagnenleiter Jeremy Bird eine israelische Organisation berät, die seine Abwahl anstrebt. Allerdings hat auch seine Likud-Partei republikanische Spin-Doktoren engagiert.

Für das Verhältnis der beiden Staaten hatte all dies bisher aber keine nennenswerten Folgen. „Ich denke nicht, dass sich das schon konkret auf die geheimdienstliche oder militärische Kooperation ausgewirkt hat“, sagte Blaise Misztal vom Bipartisan Policy Center, einem Thinktank, zur „Presse“.

Seit Israels Staatsgründung im Jahr 1948 sind laut wissenschaftlichem Dienst des US-Kongresses knapp 74 Milliarden Dollar (66 Milliarden Euro) an US-Rüstungshilfen nach Israel geflossen, mehr als die Hälfte davon seit 1997. In einem 2008 von Obamas Vorgänger George W. Bush unterzeichneten Abkommen verpflichtete sich Washington, bis 2018 jährlich 3,1 Milliarden Dollar an Militärsubventionen zu überweisen. Mit weiteren drei Milliarden Dollar aus dem US-Budget wurde seit 2006 das Raketenschutzschild Iron Dome ausgebaut, das Israel großteils gegen die Geschosse der Hamas und Hisbollah schützt.

Amerikas Steuerzahler finanziert auf diese Weise ein Fünftel des israelischen Verteidigungshaushaltes. Doch der Großteil dieses Geldes fließt in die USA zurück – genauer gesagt auf die Konten von US-Rüstungskonzernen. Israel gibt 75 Prozent der US-Finanzhilfen für deren Produkte aus.

Dieser Geld- und Waffenfluss lief bisher ziemlich reibungslos. Doch im Sommer 2014, während des jüngsten Krieges zwischen Israel und der Hamas, gab es einen Zwischenfall, der die Spannungen im Verhältnis zwischen Obama und Netanjahu drastisch veranschaulichte. Am 20. Juli lieferte das Pentagon den Israelis Panzergranaten und Leuchtspurmunition für Granatwerfer. Weder das Weiße Haus noch das State Department waren darüber informiert, das war dem Protokoll gemäß auch nicht notwendig. Neun Tage später schlugen jedoch fünf israelische Granaten in einer von der UNO betriebenen Mädchenschule in Gaza ein, wo rund 3000 Menschen Schutz gesucht hatten. 21 starben, mehr als 100 wurden verletzt. Obama und Kerry waren zutiefst erbost darüber, auf diese Weise erfahren zu müssen, dass Israels Armee entgegen ihren öffentlichen Behauptungen in dicht besiedelten Wohngebieten Gazas nicht bloß Präzisionsmunition, sondern schwere Artillerie einsetzte. Als Reaktion darauf verzögerte Washington die Lieferung von Hellfire-Luft-Boden-Raketen an die israelischen Streitkräfte um mehrere Wochen.

Johnson und Bush stritten mit Tel Aviv

Konflikte zwischen Washington und Israel sind nicht neu. 1967 widersetzte sich Ministerpräsident Levi Eshkol Warnungen von Präsident Lyndon B. Johnson, keine vorbeugenden Militärschläge gegen die arabischen Armeen durchzuführen, die einen Angriff auf Israel vorbereiteten. Das war der Anfang des Sechstagekrieges 1967. Im Jahr 1991 brach George Bush den Widerstand von Jitzhak Shamir gegen die internationale Madrider Friedenskonferenz, indem er zehn Milliarden Dollar an Kreditgarantien, um die Shamir Washington für die Ansiedlung von aus der Sowjetunion zugewanderten Juden ersucht hatte, für elf Monate blockierte.

Diese Episoden schwächten die sicherheitspolitische Achse Washington/Tel Aviv nicht. Seit 2008 ist Israels Sicherheitsdoktrin des „qualitativen militärischen Vorsprungs“, 1953 von Ministerpräsident David Ben-Gurion als Selbstverteidigungsfähigkeit Israels gegen jeden seiner Nachbarn definiert, in ein US-Gesetz gegossen. Dieses schreibt vor, dass jedem Export US-amerikanischer Waffen an einen nahöstlichen Staat die Garantie vorauszugehen hat, dass diese Rüstungsgüter Israels militärische Überlegenheit nicht mindern.

Israelische Regierungsvertreter dürfen seither bei jedem US-Waffenexport an einen ihrer arabischen Nachbarstaaten mitreden. Das hat praktische Folgen. Im Jahr 2010 zum Beispiel reagierte die US-Regierung auf israelische Bedenken hinsichtlich des Verkaufs von F-15-Kampfflugzeugen an Saudiarabien, indem sie Israel zusätzliche, modernere F-35-Jets lieferte. Der Präsident damals hieß übrigens Barack Obama.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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