USA-Israel: „Wir sind wie eine Mischpoke“

NETANYAHU
NETANYAHU(c) EPA (Maurizio Brambatti)
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Israels Premier Netanjahu versuchte mit Charmeoffensive, die Delegierten der US-jüdischen Lobby Aipac zu umschmeicheln. Vor Kongress-Rede zog er in Polit-Show alle Register.

Wien/Washington. Die Bühne des Konferenzzentrums in Washington war in weiß, blau und rot getaucht, und über dem Rednerpult erhoben sich der Sternenbanner zur Linken und die Fahne mit dem Davidstern zur Rechten. Stehende Ovationen und Filmmusik à la Hollywood orchestrierten am Montag den Auftritt Benjamin Netanjahus bei der Jahrestagung von Aipac (American Israel Public Affairs Committee), der einflussreichen jüdisch-amerikanischen Organisation, einer der mächtigsten Lobbies in der US-Hauptstadt, zur Hauptsendezeit des israelischen Fernsehens.

Kaum ein israelischer Premier oder Präsident lässt die Gelegenheit verstreichen, sich zu Frühjahrsbeginn in einer Rede an die glühendsten Fürsprecher Israels in den USA zu wenden – und schon gar nicht „Bibi“ Netanjahu, der als Regierungschef und Showman in Personalunion alle rhetorischen Register zog und die 16.000 Delegierten im Saal ebenso mit seiner Charmeoffensive umschmeichelte wie die Obama-Regierung. „Wir sind nicht nur Freunde, wird sind wie eine Familie, praktisch eine Mischpoke.“

Generalprobe für heutige Rede

Der „republikanische Senator aus West-Jerusalem“, so ein Insider, nutzte seinen Auftritt als Generalprobe, um vor der heutigen Rede im US-Kongress guten Wind zu machen und so die eklatanten politischen Differenzen mit US-Präsident Obama zu kaschieren. „Noch nie wurde über eine Rede so viel gesprochen, die noch nicht einmal gehalten wurde“, sagte er feixend in Anspielung auf die Kontroverse, die die Einladung des republikanischen Führers John Boehner an den Polit-Profi Netanjahu in den USA wie in Israel hervorgerufen hatte.

Die Differenzen zwischen Washington und Jerusalem wischte er hinweg: „Unsere Allianz ist stärker denn je.“ Als intimer Kenner der Kultur und Gesellschaft der USA wandelte er ein legendäres Diktum Mark Twains ab: „Die Berichte über den Niedergang unserer Beziehungen sind nicht nur voreilig, sondern falsch. Gleichwohl betonte er: „Die Werte, die wir teilen, sind stärker als die Unterschiede, die uns trennen.“

Zugleich gab er einen Vorgeschmack auf seine heutige Ansprache. Unter Hinweis auf eine im Saal projizierte Landkarte attackierte der Premier den Iran als Sponsor und Exporteur von Terrorismus. Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Israel und vor der finalen Phase der Atomverhandlungen mit Teheran betrachtet es der innenpolitisch in Bedrängnis geratene Regierungschef als seine Mission, die atomare Bedrohung durch den Mullah-Staat in grellen Farben auszuleuchten. Entsprechend klassifizierte er seine Rede auf dem Kapitol als wichtigste seiner Karriere – und zog das Zerwürfnis mit dem Weißen Haus als vorübergehenden Kollateralschaden ins Kalkül, der ihm an der Heimatfront Punkte eintragen sollte.

Konter Obamas

Der US-Präsident, der dem israelischen Premier das übliche Tête-à-tête im Weißen Haus verwehrte, war indessen nicht gewillt, Netanjahu die Bühne alleine zu überlassen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters konterte Obama noch am Montag und legte sein Szenario für einen Atomdeal mit dem Iran dar, sein großes außenpolitisches Ziel neben der Aussöhnung mit Kuba. Und er schickte seine außenpolitischen Power-Frauen, Sicherheitsberaterin Susan Rice und UN-Botschafterin Samantha Power, zur Aipac-Konferenz, in die „Höhle des Löwen“.

Risse in jüdischer Gemeinde

Auch bei der Aipac-Tagung offenbarten sich indessen die Risse im US-israelischen Verhältnis und innerhalb der jüdischen Gemeinde in den USA. Die Aipac verlor in den vergangenen Jahren an Einfluss in Washington, während die 2008 gegründete J-Street – eine liberalere und jüngere jüdische Organisation – parallel dazu an Gewicht gewann.

Rund drei Dutzend demokratische Abgeordnete kündigten an, die Kongress-Rede Netanjahus zu boykottieren. Im Gegenzug forderte der einflussreiche Publizist Bill Kristol, die Rice-Rede vor der Aipac demonstrativ zu sabotieren. Eine Karikatur einer republikanisch-jüdischen Gruppe verzerrte sie zur Helfershelferin des Genozids in Ruanda, weil sie in der Clinton-Regierung 1994 nicht für eine US-Intervention plädiert hatte. „Es ist viel Porzellan zu Bruch gegangen“, resümierte die demokratische Senatorin Dianne Feinstein.

Quergeschrieben : Seite 23

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2015)

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