Nemzow-Begräbnis: Moskau verbietet Politikern Einreise

RUSSIA NEMTSOV FUNERAL
RUSSIA NEMTSOV FUNERALAPA/EPA/YURI KOCHETKOV
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Tausende nehmen Abschied von dem ermorderten Kreml-Kritiker. Der polnische Senatspräsident und eine EU-Abgeordnete fehlen. Der Kreml lässt sie nicht ins Land. Die EU ist empört.

Tausende Menschen haben am Dienstag in Moskau dem ermordeten russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow die letzte Ehre erwiesen. Im Andrej-Sacharow-Zentrum für Menschenrechte in der russischen Hauptstadt, defilierten die Trauernden am offenen Sarg mit dem Leichnam vorbei. Danach nahmen rund 600 Menschen an der Beerdigung auf dem Trojekurowo-Friedhof teil. Angehörige und enge Weggefährten legten Kränze nieder.

Aufsehen erregten am Dienstag russische Einreiseverbote gegen europäische Politiker, die von Nemzow Abschied nehmen wollten. So durfte die lettische EU-Abgeordnete und ehemalige EU-Kommissarin Sandra Kalniete nicht am Begräbnis teilnehmen. Bei der Ankunft auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo sei ihr der Diplomatenpass abgenommen und die Einreise nach Russland verweigert worden, teilte sie auf Facebook mit. Kalniete hätte bei dem Begräbnis auch die europäische Volkspartei repräsentieren sollen.

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Das Einreiseverbot sorgte in Brüssel für Empörung: Maja Kocijancic, Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, sagte, dies sei "ein klarer Bruch grundlegender Prinzipien". Die Angaben der russischen Behörden, wonach sie eine Bedrohung der Sicherheit darstelle, "scheint keine glaubwürdige Erklärung zu sein". Auch dem polnischen Senatspräsidenten Bogdan Borusewicz wurde die Einreise verweigert. Eine Sprecherin der russischen Botschaft in Warschau sagte, Borusewicz sei auf der Liste der Politiker, die wegen der EU-Sanktionen nicht in Russland einreisen dürfen. Bei der Trauerfeier in Moskau verlas Konrad Pawlik, der für Osteuropa zuständige Staatssekretär im Außenministerium, eine Grußbotschaft von Borusewicz an die Familie und Freunde Nemzows. Darin schrieb Borusewicz, er hoffe nicht nur auf die Bestrafung der Mörder von Nemzow, sondern auch "jener, die verantwortlich sind für die Hetze auf diejenigen, die nicht mit imperialer Politik und Aggression gegen Nachbarstaaten einverstanden sind".

Putin schickt Vizeregierugnschef

Präsident Wladimir Putin blieb den Trauerfeierlichkeiten für Nemzow ebenso wie Ministerpräsident Dmitri Medwedew fern. Medwedew schickte aber die Vizeregierungschefs Arkadi Dworkowitsch und Sergej Prichodko. Berater von Präsident Putin bekräftigten, die Regierung habe nichts mit dem Attentat zu tun.

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RUSSIA NEMTSOV FUNERALAPA/EPA/SERGEI ILNITSKY

Unter den Trauernden waren zudem der zur Opposition übergelaufene frühere Ministerpräsident Michail Kassjanow, Großbritanniens Ex-Premierminister John Major sowie US-Botschafter John Teft. Mit roten Rosen und Nelken in den Händen kamen am Dienstagvormittag Freunde und Weggefährten zum offenen Sarg des 55-jährigen Oppositionellen. Ein Blumenmeer umgab den Sarg bereits kurz nach der Öffnung des Menschenrechtszentrums. Vor dem Gebäude warteten die Trauernden stundenlang bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und leichtem Schneefall. Die Menschenschlange zog sich Hunderte Meter die Straße entlang. Viele Trauernde waren in Tränen aufgelöst. In der Leichenhalle hingen Fotos des bekanntesten Putin-Gegners an den Wänden. Gedämpfte Musik wurde gespielt. Die Polizei sperrte die Umgebung weiträumig ab.

"Er war unsere Hoffnung", sagte eine Pensionistin. "Ich fühle mich, als hätte Putin mich an dem Tag erschossen, als er starb." Nemzows Freunde werfen der Regierung vor, Hass gegen Kritiker zu säen. Der Oppositionelle sei ein Opfer dieser Atmosphäre geworden. Der Menschenrechtler Lew Ponomarjow warf staatlichen Medien vor, Gegner des Kremls als Verräter zu stigmatisieren.

Am Nachmittag wurde Nemzow dann auf dem Prominentenfriedhof Trojekurowo beigesetzt. Er war am Freitagabend in Kremlnähe auf offener Straße erschossen worden. Der Täter entkam unerkannt. Nemzows Begleiterin blieb unverletzt. Die 23-Jährige verließ Moskau am Montagabend nach tagelangen Verhören der russischen Ermittler in ihre ukrainische Heimat.

Die Hintergründe der Tat vom Freitag liegen weiter im Dunkeln, auch wenn die Ermittler anhand von Patronenhülsen die Mordwaffe identifizierten. Die Aufnahmen von Überwachungskameras am Tatort in Sichtweite des Kremls würden ausgewertet. Es seien sechs Patronenhülsen sichergestellt worden, die aus einer Makarow-Pistole abgefeuert worden seien. Nemzow wurde viermal in den Rücken geschossen. Der Mord sei minutiös geplant gewesen, erklärten die Ermittler. Für Hinweise auf die Täter wurde eine Belohnung von drei Millionen Rubel (rund 43.000 Euro) ausgelobt.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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