Atomstreit: Netanjahus Plädoyer gegen Teheran

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Israels Premier trat bei seiner Rede im US-Kongress in Washington als Staatsanwalt gegen das iranische Nuklearprogramm auf: „Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal.“

Wien/Washington. Die Kulisse war ähnlich der für die jährliche Rede des Präsidenten zur Lage der Nation, mit allen Insignien und dem Pomp, den das Protokoll der altehrwürdigen Demokratie aufzubieten hat. Nur dass die Ansprache zur vormittäglichen Lunch Time über die Bühne ging und nicht zur abendlichen Prime Time – abgestimmt auf die Heimat des Gastredners.

Hinter dem Rednerpult im großen Sitzungssaal des Kongresses nahm der Republikaner-Veteran Orrin Hatch den Platz neben John Boehner, dem republikanischen „Speaker“ des US-Repräsentantenhauses, ein, der eigentlich für Vizepräsident Joe Biden, qua Funktion Vorsitzender des Senats, reserviert ist. Biden hatte mit einem Lateinamerika-Besuch das Weite gesucht.

Auch im Plenum blieben Dutzende Sitze prominenter Abgeordneter leer. Unter anderem boykottierten die demokratischen Senatoren Elizabeth Warren und Al Franken das Politspektakel Benjamin Netanjahus. Steve Cohen, dem demokratischen Abgeordneten aus Tennessee, blieb es als Jude vorbehalten, eine Parallele zu ziehen: „Benjamin Netanjahu repräsentiert so wenig Israel wie George W. Bush die USA repräsentiert hat.“

Inszenierung als Retter Israels

Die Sicherheitsvorkehrungen in Washington rund ums Kapitol glichen jenen für Barack Obama, eine Schar von Demonstranten machte gegen den Premier mobil: „Netanjahu go home.“ Unter der eingerüsteten Kuppel gab sich Israels Regierungschef indessen unverdrossen, gleichsam als Staatsanwalt gegen Irans Atomprogramm. Im Vorfeld waren Befürchtungen laut geworden, Netanjahu könnte in seiner Brandrede gegen einen Atompakt mit Teheran vertrauliche Informationen ausplaudern und Grundzüge eines Abkommens enthüllen.

Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Israel inszenierte sich der Sohn eines Historikers quasi als Retter des jüdischen Volks – passend zu Purim, dem jüdischen Feiertag, der der Rettung der Juden aus der persischen Knechtschaft in der Antike gedenkt. Auch heute sei ein persischer Potentat zur Auslöschung Israels entschlossen.

Es war nicht das erste Mal, dass der Premier auf US-Boden als Ankläger gegen den Iran auftrat. Im September 2012 hatte er mit seiner Rede vor der UNO in New York die Weltöffentlichkeit zum Staunen gebracht. In der Endphase der Nukleargespräche mit dem Mullah-Staat suchte er nun den Schulterschluss mit der Schutzmacht USA – so wie Israel ein „Gelobtes Land“, wie Netanjahu formulierte.

Er äußerte explizite Dankbarkeit für die Unterstützung durch Präsident Obama und die Bereitstellung des Iron Dome, des Raketenabwehrsystems „made in the USA“ im Gaza-Krieg. Gleichwohl hatte ihn Obama zuvor in die Schranken gewiesen: Netanjahu, erinnerte er, sei in der Iran-Frage schon des Öfteren falsch gelegen.
In Ayatollah Ali Khamenei, dem obersten Führer des schiitischen Gottesstaats, vereint sich für Netanjahu die neueste Technologie – sprich: Twitter und Nuklear-Expertise – mit dem ältesten Hass, dem Antisemitismus. In seiner dreiviertelstündigen Ansprache zeichnete der Regierungschef den Iran erneut als Spiritus rector des globalen Terrorismus. „Das iranische Regime ist nicht nur ein jüdisches Problem“, konstatierte er und nannte es – wie Nordkorea – als schlechtes Exempel für Schwindel und faule Tricks.

Trotz offensichtlicher Gegensätze verglich er den Iran mit dem sogenannten Islamischen Staat, vom Zuschnitt her beides islamische Diktaturen. „Der Feind deines Feindes ist dein Feind“, betonte Netanjahu. Am Ende bekräftigte er sein Credo: „Kein Atomdeal ist besser als ein schlechter Deal. Ein Deal verhindert die Bombe nicht, er ebnet den Weg dafür.“ Unter stehenden Ovationen und dem Gejohle des Auditoriums zitierte „Bibi“ Netanjahu „Nie wieder“, die Devise des anwesenden Friedensnobelpreisträgers Elie Wiesel, und die Widerstandskraft Moses'.

Im Weißen Haus, für „Bibi“ Netanjahu demonstrativ versperrt, war Barack Obama derweil mit einer anderen Weltkrise beschäftigt: In einer Telefonkonferenz akkordierte er sich mit europäischen Regierungschefs. In der Iran-Frage gab sich der US-Präsident kühl und unbeirrt. Netanjahu, ätzte er, habe keine Alternativen aufgezeigt. Im Fall eines Atompakts mit Teheran werde auch er vor den Kongress treten.

Auf einen Blick

Kongress-Rede. Verdienstvollen Freunden der USA wird die besondere Ehre zuteil, eine Rede vor den beiden Kammern des US-Kongresses zu halten. Angela Merkel kam solcherart schon einmal zu dem Privileg oder auch Israels Präsident Shimon Peres kurz vor seinem Abschied aus der Politik im Vorjahr. Der britische Kriegspremier Winston Churchill durfte drei Mal vor den Kongress treten – Benjamin Netanjahu stellte diesen Rekord am Dienstag ein.

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