Xi Jinping: Chinas mächtigster Mann seit Mao

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CHINA POLITICS CPPCC(c) APA/EPA/WU HONG (WU HONG)
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Präsident Xi Jinping reißt nach dem Vorbild der KP-Ikone alle Macht an sich. Und um auch außenpolitisch die Muskeln zu zeigen, kündigte er nun eine massive Aufrüstung an.

Peking. Als Chinas großer Reformer Deng Xiaoping in den 1990er-Jahren seinem Nachfolger das Machtszepter übergab, gab er ihm folgenden Rat: „Verbringe von fünf Arbeitstagen vier mit hochrangigen Militärs.“ Er sagte das aus gutem Grund: Denn in der Volksrepublik gibt es keine Institution, die so mächtig ist wie die Volksbefreiungsarmee. Trotz ihrer 2,11 Millionen Soldaten ist sie bis heute nicht dem Staat unterstellt, sondern sieht sich als militärischer Arm der Kommunistischen Partei auf Augenhöhe mit Regierung und Parteispitze. Wichtig war es daher bisher für jeden Staatsführer, sich der Unterstützung der Generäle sicher zu sein.

Chinas Staatschef, Xi Jinping, scheint mit dieser Praxis nun zu brechen. Kurz vor der heute, Donnerstag, beginnenden Jahressitzung des Volkskongresses gab das Militär am Montag offiziell bekannt, dass 14 Generäle vor Gericht gestellt wurden. Den Generälen und Offizieren würden „ernste rechtliche Verstöße und kriminelle Delikte“ vorgeworfen. Einige sind sogar bereits verurteilt. Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren lässt Xi keinen Tag verstreichen, um seine Macht auszubauen – und zwar auf allen Ebenen. In den ersten Monaten seiner Amtszeit ließ er sämtliche wichtige Posten in der Parteizentrale auf seine Person zuschneiden.

An den Unis und den Schulen bekämpft er seit einigen Monaten „westliche Werte“ und pflegt zugleich einen Kult um seine Person, wie es ihn nach dem Willen des Reformers in China nie mehr geben sollte. Vor allem aber geht er mit einer Vehemenz gegen politische Gegner vor, wie es seit 40 Jahren in diesem Ausmaß keiner seiner Vorgänger gewagt hatte.

Ausschaltung der Gegner

Offiziell hält eine umfassende Anti-Korruptions-Kampagne dafür her. Und tatsächlich sind Amtsmissbrauch und Selbstbereicherung bis hinauf zur Staatsspitze weit verbreitet. „Die vehemente Bekämpfung der Korruption ist zweifellos notwendig und populär“, sagt Sebastian Heilmann, Leiter des Berliner China-Instituts Merics. Da sie aber mit Denunziationsmethoden betrieben werde, trage sie „keinesfalls zur offiziell verkündeten Stärkung rechtsstaatlicher Verfahren bei“, kritisiert Heilmann. Sie diene Xi vielmehr der Ausschaltung seiner Gegner. Und auch außenpolitisch lässt Chinas Staatsoberhaupt die Muskeln spielen. Betrieben seine Vorgänger eine Außenpolitik, die offene diplomatische oder militärische Konflikte vermied, hat die Parteiführung unter Xi laut Heilmann diese zurückhaltende Politik aufgegeben.

Tatsächlich: So sehr Xi nun auch gegen Spitzenoffiziere und Generäle der Volksbefreiungsarmee vorgeht – das hält ihn nicht davon ab, den Militärapparat noch weiter aufzurüsten. In den vergangenen fünf Jahren wuchs der Etat der Volksbefreiungsarmee jährlich bereits zweistellig. Wie die Sprecherin des Volkskongresses, Fu Ying, am Mittwoch verkündete, werde die chinesische Führung im laufenden Jahr die Militärausgaben um weitere rund zehn Prozent erhöhen. „Es herrscht viel Besorgnis über Chinas militärische Macht“, sagt Sam Perlo-Freeman vom Sipri-Institut.

Ein Zeichen der Schwäche?

So sehr Xi sowohl nach innen als auch nach außen den starken Mann markiert – diese Politik könnte auch dazu dienen, Schwächen zu überspielen. So ist die chinesische Wirtschaft im vergangenen Jahr mit 7,4Prozent so langsam gewachsen wie seit 24 Jahren nicht. Für ein sich entwickelndes Land mit weiterhin hohem Nachholbedarf und gewaltigen Umwelt- und Sozialproblemen ist das nach Ansicht vieler Ökonomen zu wenig. Chinas Premier, Li Keqiang, wird vor den 3000 Delegierten auf dem Volkskongress die Erwartungen noch weiter dämpfen.

„Die chinesische Öffnungspolitik, wie wir sie dreieinhalb Jahrzehnte lang kannten, ist zu Ende“, ist sich China-Experte Heilmann jedoch sicher. Stattdessen manifestiere sich unter der Führung von Xi eine machtvolle Schubumkehr, die Chinas Aufstieg und die Herrschaft der Kommunistischen Partei im 21.Jahrhundert sichern soll.

AUF EINEN BLICK

Vor der jährlichen Sitzung des Volkskongresses hat China eine weitere militärische Aufrüstung angekündigt. Die Ausgaben für die Streitkräfte würden um „etwa zehn Prozent“ steigen, hieß es. Im Haushaltsentwurf des vergangenen Jahres war Chinas Militäretat um 12,2Prozent auf umgerechnet 115Milliarden Euro gestiegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

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