Leiter der Nobelpreis-Jury abgesetzt

Thorbjörn Jagland
Thorbjörn Jagland (c) imago stock&people (imago stock&people)
  • Drucken

Thorbjörn Jagland muss für seine Stellvertreterin Kaci Kullmann Five Platz machen.

Stockholm. Vorsitzende der norwegischen Friedensnobelpreis-Jury galten stets als unantastbar, der Friedensnobelpreis als völlig unabhängig. Entsprechend hoch schlugen die Wellen, als die Osloer Jury bekannt gab, ihr Vorsitzender Thorbjörn Jagland werde durch seine Stellvertreterin Kaci Kullmann Five abgelöst. Er wird zu einem gewöhnlichen Mitglied der Jury degradiert.

Weder Jagland noch die Jury kommentierten oder begründeten den Wechsel. Jagland hatte zwischen 1996 und 1997 kurz als sozialdemokratischer Ministerpräsident Norwegens fungiert und danach bis 2002 als Außenminister. sagte nichts. Er sei „sechs Jahre lang ein guter Vorsitzender“ gewesen, hieß es nur höflich von Nachfolgerin Kullmann Five. Sie war bis 1994 Chefin der amtierenden, bürgerlichen Höyrepartei, später Chefin des norwegischen Industriekonzerns Aker ASA.

Hinter dem Vorhang der Nobelstiftung in Oslo blühen die Spekulationen über die Gründe für Jaglands Ablösung. Er hatte mit wachsender Unzufriedenheit zu kämpfen und zuletzt nicht mehr genug Rückendeckung. Der Machtwechsel 2013 im zuvor links regierten Norwegen zur bürgerlich-rechtspopulistischen Koalition dürfte wesentlich zum Sturz beigetragen haben. Die Regierung in Oslo wünscht sich seit Längerem offen einen Wechsel. Jagland sei auch als Generalsekretär im Europarat und dort zu sehr auf ein gutes Verhältnis zu Moskau angewiesen, um unbefangen genug zu sein, argumentierten die beiden Regierungsparteien.

Umstrittene Entscheidungen

Jagland war auch in den eigenen Reihen und bei Friedensforschern umstritten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit 2009 hatte er für Kritik gesorgt, als er dem US-Präsidenten Barack Obama den Friedensnobelpreis zuerkannte. Der war gerade erst Präsident geworden, in Kriege in Afghanistan und im Irak verwickelt und hatte eigentlich noch nichts in Sachen Frieden bewegt. Ein Jahr darauf wurde der chinesische Dissident Liu Xiaobo ausgezeichnet. Das war zwar politisch kaum umstritten. China fror jedoch seitdem die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Norwegen größtenteils ein. (anw)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.