Boston-Attentäter: Eröffnungsplädoyers im Prozess

Dzhokhar Tsarnaev
Dzhokhar TsarnaevREUTERS
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Dzhokhar Tsarnaev wird beschuldigt, den Anschlag auf den Boston-Marathon 2013 verübt zu haben. Seine Strafverteidigerin sagt: "Er war es".

Vor einem US-Bundesgericht hat die Hauptverhandlung gegen den überlebenden mutmaßlichen Attentäter vom Bostoner Marathonlauf begonnen. Die Staatsanwaltschaft warf Dzhokhar Tsarnaev (Dschochar Zarnajew) in ihrem Eröffnungsplädoyer am Mittwoch vor, den Anschlag am 15. April 2013 gemeinsam mit seinem Bruder Tamerlan geplant zu haben.

"Das Ziel war, so viele Menschen wie möglich zu töten", sagte Staatsanwalt William Weinreb. Bei dem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon waren drei Menschen getötet und 264 weitere verletzt worden. Dzhokhar und Tamerlan Tsarnaev sollen auf ihrer Flucht zudem einen Polizisten erschossen haben. Der damals 19-jährige Dzhokhar wurde vier Tage nach dem Anschlag schwer verletzt festgenommen, der sieben Jahre ältere Tamerlan kam bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei ums Leben. Die Brüder stammen aus einer tschetschenischen Familie und waren als Kinder in die USA eingewandert. Die US-Behörden stufen die Tat als islamistischen Terrorakt ein.

Dzhokhar Tsarnaev erschien am Mittwoch in Sakko und offenem Hemd zu der Verhandlung, auch zahlreiche Opfer und Angehörige saßen in dem brechend vollen Gerichtssaal. Weitgehend regungslos folgte der Angeklagte den Ausführungen von Staatsanwalt Weinreb, der den Prozessteilnehmern die Ereignisse vom 15. April 2013 ins Gedächtnis rief. Einige Opfer, darunter ein achtjähriger Bub, seien auf dem Gehsteig verblutet, sagte er. Nur 20 Minuten nach der Tat habe Tsarnaev in einem Supermarkt Milch gekauft, "als wenn überhaupt nichts passiert wäre".

"Terroristische Propaganda" im Netz

Weinreb beschrieb, wie sich der mittlerweile 21-Jährige von 2011 an zunehmend radikalisiert habe. Tsarnaev habe im Internet "terroristische Propaganda" gelesen. Ermittler hätten auf seinem Computer Ausgaben des englischsprachigen Online-Magazins "Inspire" des Terrornetzwerks Al-Kaida gefunden. Laut Anklageschrift sollen die Brüder auch die Anleitung zum Bau von Bomben in Schnellkochtöpfen den Internetseiten von Al-Kaida entnommen haben. Wenige Wochen vor dem Anschlag habe Dzhokhar Tsarnaev mit seinem Bruder eine Pistole gekauft und das Schießen geübt, sagte Weinreb weiter.

Strafverteidigerin: "Er war es"

Die Anwältin von Dzhokhar Tsarnaev hat die Beteiligung ihres Mandanten an dem Bombenanschlag auf den Bostoner Marathonlauf vor knapp zwei Jahren eingeräumt. "Er war es", sagte Strafverteidigerin Judy Clarke am Mittwoch in ihrem Eröffnungsplädoyer vor einem Bundesgericht in der US-Ostküstenstadt. Allerdings habe Tsarnaev unter dem Einfluss seines älteren Bruders Tamerlan gestanden, der nach dem Anschlag bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei getötet wurde.

"Es war Tamerlan Tsarnaev , der sich radikalisiert hat. Es war Dzhokhar, der ihm folgte", sagte Clarke. Die Anwältin machte deutlich, dass die Verteidigung einen Großteil der Beweise der Staatsanwaltschaft akzeptieren werde. "Wir werden zu keinem Zeitpunkt versuchen, der Verantwortung von Dzhokhar auszuweichen", sagte sie. Clarke bat die Geschworenen aber, die Rolle des älteren Bruders beim Strafmaß zu berücksichtigen.

Die Strategie der renommierten Strafverteidigerin zielt offenbar ganz darauf ab, die drohende Todesstrafe für Tsarnaev zu verhindern. Clarke hatte bereits mehreren prominenten Angeklagten wie dem als "Unabomber" bekannt gewordenen Ted Kaczynski und dem Mitverschwörer der Anschläge vom 11. September 2001, Zacarias Moussaoui, die Todesstrafe ersparen können.

Urteil im Juni

Tsarnaev werden 30 Anklagepunkte vorgeworfen, darunter der Gebrauch einer "Massenvernichtungswaffe". Bei einem Schuldspruch droht Tsarnaev die Todesstrafe. Mit einem Urteil wird im Juni gerechnet. Der Prozess hatte Anfang Jänner mit der Auswahl der Geschworenen begonnen. Der Verhandlungsbeginn verzögerte sich wegen des langwierigen Auswahlverfahrens und mehrerer Schneestürme. Tsarnaevs Anwälte hatten außerdem erfolglos versucht, den Prozess an einen anderen Ort zu verlegen. Sie bezweifelten, in Boston eine unvoreingenommene Jury zu finden.

Boston-Marathon 2013

Bei dem Bombenanschlag auf den Boston-Marathon am 15. April 2013 waren drei Menschen getötet und 264 weitere verletzt worden. Der damals 19-jährige Dzhokhar und der sieben Jahre ältere Tamerlan sollen auf ihrer Flucht zudem einen Polizisten erschossen haben. Dzhokhar wurde vier Tage nach dem Anschlag schwer verletzt in einem Vorort von Boston festgenommen. Die Brüder stammen aus einer tschetschenischen Familie und waren als Kinder in die Vereinigten Staaten eingewandert. Seit 2012 hat Dzhokhar die US-Staatsbürgerschaft.

(APA/AFP)

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