Obama: "Wir sind nicht im Krieg mit dem Islam"

Obama in der Tuerkei
Obama in der Tuerkei(c) EPA (Tolga Bozoglu)
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Vor dem türkischen Parlament untermauert der US-Präsident die Partnerschaft zur Türkei. Seine Forderung nach einem EU-Beitritt der Türkei sorgt in Europa für Unmut.

Die USA suchen nach den Worten von US-Präsident Barack Obama nach einem "neuen Dialog" mit der islamischen Welt. "Lasst mich das so klar wie nur möglich sagen, die USA sind nicht in einem Krieg mit dem Islam", sagte Obama am Montag vor dem türkischen Parlament in Ankara. Er setzte sich für mehr Partnerschaft zwischen dem Westen und der islamischen Welt ein. Diese Gemeinsamkeit sei auch wichtig im Kampf gegen Extremisten und Terroristen, die die ganze Welt gleichermaßen bedrohten.

Obama setzte sich für eine "Erneuerung der Freundschaft" zwischen den USA und der Türkei ein. Die Türkei sei ein "wichtiger Verbündeter" und "ein wichtiger Teil Europas", betonte er. Er würdigte das Erbe des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk, der die Türkei zu einer "starken, säkularen Demokratie" gemacht habe. Die Demokratie in der Türkei sei ein Verdienst der Türken selbst, sie sei nicht wie anderswo von einer fremden Macht eingeführt oder diktiert worden, sagte der US-Präsident.

"Die USA unterstützen nachdrücklich die Bemühungen der Türkei, Mitglied in der EU zu werden", bekräftigte Obama. Die Türkei sei stets ein entschiedener Verbündeter und ein verantwortlicher Partner in den transatlantischen Beziehungen und für die europäischen Institutionen gewesen. Allerdings habe auch "die Türkei eigene Verantwortlichkeiten" im Bestreben um die EU-Mitgliedschaft, wenngleich schon "bedeutende Fortschritte" erzielt worden seien. Ankara müsse die politischen Reformen vorantreiben und Anstrengungen im rechtsstaatlichen Bereich unternehmen. Die Stärkung der Pressefreiheit und die Zulassung der kurdischen Sprache in Schulen und Medien seien bedeutende Schritte gewesen. Der Reformprozess müsse aber fortgesetzt, der Schutz von Minderheiten und die Religionsfreiheit garantiert werden.

Widerstand gegen Beitrittspläne

Schon beim EU-USA-Gipfel hatte der US-Präsident die Aufnahme der Türkei in die Europäische Union gefordert. Er war damit auf offenen Widerstand bei Frankreich gestoßen. Präsident Nicolas Sarkozy meinte, eine Mehrheit der EU-Staaten seien gegen eine Mitgliedschaft der Türkei. Dies wurde allerdings von der EU-Kommission zurückgewiesen. Innerhalb der EU bestehe Einigkeit, dass die Beitrittsverhandlungen fortgesetzt werden sollten, sagte Barroso, der Obamas Worte ebenso wie Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi begrüßt hatte. "Letztlich müssen wir sehen, ob die Türkei bereit ist beizutreten und ob die Europäische Union bereit ist, die Türkei zu integrieren. Diese Entscheidung wird später getroffen werden."

Vorbehalte auch aus Österreich

Vorbehalte gegen eine EU-Erweiterung um die Türkei äußerten auch Österreich und Deutschland. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) meinte, derzeit seien acht Kapitel im Beitrittsprozess aus gutem Grund gestoppt, und es gebe keine Anzeichen für Fortschritte. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel plädierte für eine "privilegierte Partnerschaft". FPÖ-Obmann Heinz-Christan Strache betonte am Montag Obama solle sich "gefälligst nicht in interne EU-Angelegenheiten einmischen". Auch der deutsche CDU-Europaabgeordnete Elmar Brock äußerte sich in diesem Sinn.

Obama sprach in Ankara von der wichtigen Rolle der Türkei als Brücke zwischen der islamischen Welt und dem Westen. Zwischen den überwiegend christlich geprägten USA und der islamischen Türkei könne es eine "Modell-Partnerschaft" geben, sagte Obama nach einem Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül. Die Beziehungen zwischen der Türkei und den USA hätten sich zu lange auf militärische Fragen und die nationale Sicherheit konzentriert. Beide Seiten müssten aber auch bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise zusammenarbeiten, forderte Obama. Er stimme mit Gül überein, dass der Terrorismus überall gleichermaßen zu bekämpfen sei. Für die USA gehöre die kurdische PKK unverändert auf die Liste terroristischer Organisationen, sagte Obama.

Obama verurteilt "Völkermord" an Armeniern

Klare Worte fand Obama zum Vorgehen der Osmanen gegen die Armenier zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Auf eine Frage, ob er weiterhin glaube, dass es in der Türkei einen "Völkermord" an den Armeniern gegeben habe, sagte Obama, er ändere seine Sichtweisen nicht. Er sei aber sehr froh, dass es intensive Gespräche zwischen Türken und Armenien über die gemeinsame Aufarbeitung ihrer Geschichte gebe. Eine Wiederholung des Begriffs "Völkermord" vermied Obama jedoch. Gül betonte, dass sein Land an einer Versöhnung mit dem Nachbarland Armenien arbeite. Eine Historiker-Kommission befasse sich mit dem Streit um die Massaker.

In Ankara hatte die Absicht von Abgeordneten und Senatoren, im US-Kongress eine Resolution über den "Völkermord" an den Armenien zu verabschieden, großen Protest ausgelöst und die bilateralen Beziehungen belastet. Während des ersten Weltkriegs wurden zum Ende des Osmanischen Reiches rund 1,5 Millionen Armenier getötet. Im US-Wahlkampf hatte Obama von "überwältigenden historischen Beweisen" für einen Völkermord gesprochen.

Zum Auftakt seines Türkei-Besuches hatte Obama am Montag einen Kranz am Grab des Gründers der türkischen Republik, Mustafa Kemal Atatürk, niedergelegt. Am Montag stand noch ein Gespräch mit Regierungschef Recep Tayyip Erdogan auf dem Programm. Der US-Präsident wollte am Montagabend nach Istanbul weiterfliegen, wo am Dienstag unter anderem Gespräche mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., dem ranghöchsten Würdenträger der orthodoxen Christenheit, und mit islamischen Religionsvertretern vorgesehen sind. Nach einem touristischen Programm in Istanbul beendet Obama seine Europa-Reise und fliegt am Dienstag gegen Mittag in die Vereinten Staaten zurück.

(Ag.)

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