Angela Merkel, die deutsche Bundeskanzlerin, strahlt echtes Selbstbewusstsein aus, kein gekünsteltes wie andere. Sie gibt den Deutschen damit in einer turbulenten Zeit Sicherheit.
Pionierinnen: Diese Frauen schrieben Geschichte
Sie sei zurzeit der einzige Mann in den europäischen Regierungen. Das sagen andere über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie würde das nie über sich selbst sagen, schon gar nicht öffentlich. Im Gegensatz zur legendären britischen Regierungschefin Margaret Thatcher oder zur gescheiterten österreichischen Finanzministerin Maria Fekter.
Aber gerade das ist das Geheimnis ihres Erfolgs: Während andere Frauen glauben, sie müssten sich ihrer Testosteron-Umgebung in der Spitzenpolitik mit besonders forschem Auftreten anpassen, punktet Merkel mit dem Gegenteil. Während andere weibliche Regierungsmitglieder versuchen, mit aggressivem Auftreten jeden Verdacht der Schwäche im Keim ersticken zu müssen, machte Merkel ihre eigenen Schwächen – modisch herausgefordert, optisch uninspiriert – zu ihren Stärken.
Merkel ist eigentlich das Gegenteil jenes Politikertyps, den die europäische Öffentlichkeiten angeblich so sehr herbeisehnt: durchsetzungsfähig und medientauglich. Und sie ist als Antityp überaus erfolgreich. Sie strahlt Selbstbewusstsein aus, kein gekünsteltes wie andere, und Sicherheit. „Mutti“ eben. Zuständig für Beschützung in einer turbulenten Zeit.
Die stille Macht ist bei Frauen in der Politik offenbar erfolgreicher als die laute. Und dieses Leise hat Merkel weit gebracht – von „Helmut Kohls Mädchen“ bis an die Spitze der europäischen, nicht nur der deutschen, Politik. Lernfähigkeit ist vielleicht auch etwas, was sie von anderen Politikerinnen unterscheidet. So hat sie im Wahlkampf 2005 ihre Lektion gelernt: Zu viel Forschheit, zu viel Profil machen angreifbar. Das gilt jedoch interessanterweise nur für die Innenpolitik Deutschlands. Und diese Schwäche weiß sie durch besonders kantiges Auftreten und besondere Aktivitäten in der Außenpolitik zu kaschieren. Populistisch nach innen, visionär nach außen. Die Deutschen danken ihr die gewonnene weltpolitische Bedeutung. Selbstbewusstsein macht sexy! Allein, es muss ein ruhiges, authentisches sein.
Wie wichtig das in der Politik ist, kann man eben jetzt bei Hillary Clinton beobachten. Wer als Frau politische Macht so sehr wie die ehemalige First Lady und spätere US-Außenministerin will, der übersieht leicht selbst aufgestellte Fallen. Hillary Clinton ist es nicht wie Merkel gelungen, ihre größten Schwächen zu Stärken zu machen: die Lust auf Geld und die Angst vor Männern in der Politik. Den finanziellen Eifer kann sie nicht zügeln, von Männern hat sie sich als Politikerin immer schon verfolgt gefühlt. Beides kann ihr zum Verhängnis werden.
Merkel und Clinton inspirieren zu der Frage, ob Frauen ohne einen männlichen Mentor in der Spitzenpolitik überhaupt reüssieren können. Die Antwort ist: Eher nein! Aber nicht aus den oberflächlichen Gründen, an die man denken mag, sondern schlicht und einfach, weil die wenigen Frauen in Regierungsverantwortung nirgends ein ausgeprägtes Interesse an der Förderung anderer Frauen und vor allem des weiblichen politischen Nachwuchses zeigen.
Es ist für viele angenehmer, öffentlich über Genderfragen zu parlieren. Wenn aber nicht mehr Frauen die politische Karriereleiter hinaufgestoßen werden, werden dort viel zu wenige mit ausreichender Qualifikation zu finden sein. Und jede schlechte Politikerin schadet der Sache der Frauen im Dienst der Öffentlichkeit mehr als jeder schlechte Politiker den Männern. Das ist ein mathematisches Problem: Unter wenigen Frauen fallen die schlechten besonders auf, unfähige Männer in der Politik sind zahlreich.
Daran werden auch Quotenregelungen, wie sie der deutsche Bundestag erst gestern beschlossen hat, nur langfristig etwas ändern können. Dieses Gesetz zeigt eine andere Stärke Merkels, die vielen anderen Frauen in der Politik abgeht: den Koalitionspartner politisch leben lassen. Soll die SPD das als ihren Erfolg sehen! Es ficht sie nicht an.
Im Grund ist aber alles eine Frage der Qualifikation. Frauen können so schrill und im öffentlichen Auftreten unangenehm sein wie die ehemalige EU-Kommissarin Viviane Reding, und dennoch in der Sache erfolgreich. Oder eben so leise wie Merkel.
Eines ist gewiss: Fragen der Authentizität und Qualität sind für Frauen wichtiger als für Männer. Jedenfalls in Demokratien hat noch keine Regierungschefin reüssiert, die nicht ein gewisses Maß an Echtheit und Verlässlichkeit zu vermitteln wusste.
Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will Mädchen und Buben auch getrennt unterrichten. Die Zentralmatura soll ebenfalls Leistungsunterschiede verringern.