Griechischer Minister droht mit ungeprüfter Flüchtlingswelle

Die Migranten im griechischen Flüchtlingslager Amygdaleza protestieren gegen die Lebensbedingungen.
Die Migranten im griechischen Flüchtlingslager Amygdaleza protestieren gegen die Lebensbedingungen.(c) APA/EPA/YANNIS KOLESIDIS
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Sollten sich unter den Flüchtlingen auch Jihadisten befinden, sei Europa wegen seiner Haltung in der Schuldenfrage selbst schuld, befindet der Verteidigungsminister.

Griechenland kommt durch die anhaltenden Flüchtlingsströme unter Druck. Das ohnehin bankrotte Land schafft es nicht, die Migranten akzeptabel zu versorgen. Die griechische Regierung von Linkspremier Alexis Tsipras will nun das besonders kritisierte Flüchtlingslager Amygdaleza nordwestlich von Athen schließen. Doch es geht nicht nur um Migrationspolitik - Verteidigungsminister Panos Kammenos verwendet die Flüchtlinge als Druckmittel in der Schuldenfrage mit der EU.

"Wenn sie Griechenland einen Schlag versetzen, dann sollen sie wissen, dass [...] die Migranten Papiere bekommen und nach Berlin gehen", sagte Kammenos laut Nachrichtenagentur dpa am Sonntag bei einer Sitzung seiner rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen". Die linke Syriza-Partei steht unter Druck ihres rechtspopulistischen Koalitionspartners. Sollten sich unter den Flüchtlingen auch Jihadisten der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) befinden, sei Europa durch seine kompromisslose Haltung gegenüber Griechenland in der Schuldenfrage selbst dafür verantwortlich, befand Kammenos.

Alexis Tsipras muss in der Migrationsfrage auch die Wünsche seines Koalitionspartners Panos Kammenos (li.) berücksichtigen.
Alexis Tsipras muss in der Migrationsfrage auch die Wünsche seines Koalitionspartners Panos Kammenos (li.) berücksichtigen.(c) APA/EPA/SIMELA PANTZARTZI (SIMELA PANTZARTZI)

Aufnahmelager sollen abgeschafft werden

Griechenland fühlt sich von der EU im Stich gelassen. Der griechische Zivilschutzminister Yiannis Panousis hatte bereits im Februar nach dem Selbstmord eines Insassen des Flüchtlingslagers Amygdaleza angekündigt, dass Migranten künftig nicht länger als 18 Monate in Aufnahmelagern bleiben sollten. Amygdaleza müsse geschlossen, die übrigen Aufnahmelager in "Gastfreundschaftszentren" mit "menschenwürdigen Lebensbedingungen" umgewandelt werden.

Die Behörden begannen dann auch bereits damit, Immigranten ohne Papiere aus dem völlig überfüllten Aufnahmelager Amygdaleza zu entlassen. Die Bedingung dafür: Sie mussten eine ständige Adresse angeben und sich zweimal monatlich bei der Polizei melden. Auch Panousis drohte damit, ungeachtet bestehender EU-Gesetze Hunderttausende Immigranten die Ausreise aus Griechenland zu erlauben, sollten die anderen EU-Staaten nicht bereit sein, Athen bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme zu unterstützen.

"Dublin zu ändern dauert Jahre"

Es werde wohl zwei Jahre brauchen, um das Dublin-Abkommen zu ändern, kritisierte der Minister. Dieses legt fest, dass Asylsuchende im ersten EU-Land, in das sie einreisen, ihren Antrag stellen müssen. Griechenland trifft die Regelung besonders stark. In den kommenden zwei Jahren werden nach Schätzung von Panousis weitere 2,5 Millionen Immigranten nach Griechenland einreisen. "Das können wir sozial nicht verkraften", sagte Panousis.

Anlass für die geplante Schließung, die Panousis im Februar binnen einer 100-Tage-Frist angekündigt hatte, sind die katastrophalen Lebensumstände in dem für 1000 Menschen konzipierten, aber meist mit fast doppelt so vielen Personen belegten Lager Amygdaleza. Das Camp ist von massiven Stacheldrahtverhauen umgeben und sieht eher aus wie ein Hochsicherheitsgefängnis. NGOs kreierten nicht zuletzt deshalb den Begriff "griechisches Guantanamo", auch weil darin die Menschenrechte missachtet würden.

Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" berichtete nach einer Visite in Amygdaleza von einer "unmenschlichen Situation". Sie sahen Mäuse und Ratten, die zwischen den Menschen umherliefen. In mindestens drei Wohncontainern sei die Ausbreitung einer Krätzeepidemie diagnostiziert worden, es fehle aber an der grundsätzlichsten medizinischen Betreuung. Die Ärzte warnten auch vor psychischen Schäden, die durch die Umstände im Lager bei den Insassen hervorgerufen oder verstärkt werden könnten.

Flüchtlinge kritisieren Polizei-Gewalt

Viele der Flüchtlinge beklagen auch Folter und willkürliche Gewalt durch die Polizei. Mitunter würden Lagerinsassen grund- und wahllos misshandelt, berichtete etwa der Syrer Hafiz Goulam. Am grausamsten seien jene Beamte, die sich offen dazu bekennen, der Neo-Nazi-Partei "Goldene Morgenröte" nahe zu stehen.

Was mit den Flüchtlingen nach der angekündigten Freilassung konkret passieren wird, steht indes in den Sternen. Sie haben in der Regel keine Aufenthaltsbewilligungen, weswegen sie bis dato auch im Lager festgehalten werden. Manche werden vielleicht bei Freunden unterkommen, bei anderen Flüchtlingen, denen es schon etwas besser geht, mutmaßen Hafiz und Mohamed. "Die meisten werden aber wohl als Obdachlose auf der Straße landen."

(APA/Filippos Sacharis/Red.)

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