Andrej Kiska: "Russland führt einen Informationskrieg"

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Der slowakische Präsident Andrej Kiska über die Pflicht seines Landes, dem ukrainischen Nachbarn zu helfen, die Angst vor Russland und die Gründe für eine Aufrüstung.

Die Presse: Der slowakische Premier Robert Fico äußerte vor einiger Zeit deutliche Kritik an Kiew: Alle Welt helfe der Ukraine, aber die ukrainische Führung selbst halte nur passiv die Hand auf und warte auf Hilfe von außen. Sie dagegen stellen sich immer wieder demonstrativ auf die Seite Kiews. Offensichtlich gibt es keine einheitliche Haltung zum Nachbarland Ukraine.

Andrej Kiska: Wir haben ähnliche Meinungen. Beide bemühen wir uns um echte Hilfe für die Ukraine. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern hilft die Slowakei mit Taten, anstatt nur über Hilfe zu reden. Wir sorgten mit der Sicherstellung des „Reverse-Flow“, also der Umkehr des Gastransits von West nach Ost, dafür, dass wir der Ukraine derzeit bis zu 40 Prozent des Gases liefern können, das sie braucht. Das ist eine enorme Hilfe für das Nachbarland. Sowohl der Premier als auch ich betonen aber, dass die Ukraine Reformen umsetzen muss. Das Ziel der Maidan-Bewegung, der Kampf gegen Korruption und gegen die Herrschaft der Oligarchen, muss jetzt auch konsequent zu Ende geführt werden.

Der Sozialdemokrat Fico, aber auch Konservative wie der christdemokratische Ex-Premier Ján Čarnogurský wünschen sich, dass die Slowakei ihre guten Beziehungen zur Ukraine und zu Russland für die Rolle als Vermittler nützt. In welcher Rolle sehen Sie die Slowakei?

Die Ukraine ist unser direkter Nachbar und verdient unsere Solidarität, vor allem, wenn dort – nur wenige Kilometer von der Slowakei entfernt – schwere Kämpfe toben. Das ukrainische Volk muss das Recht haben, selbst über seinen Weg zu entscheiden – unabhängig davon, welche ausländische Macht hier ihre Einflusssphäre geltend machen will. Die Aufgabe der Slowakei ist es, eine einheitliche Position der EU zu unterstützen. Indem wir als EU eine einheitliche Position gegenüber Russland vertreten, helfen wir der Ukraine am meisten.

Es scheint aber, dass die Bevölkerung in der Ostukraine das nicht so einfach sieht. Viele Menschen dort nehmen die Kiewer Führung nicht als ihre legitime Vertretung wahr und betrachten die ukrainische Armee als Besatzungsmacht, die gegen die eigene Bevölkerung kämpft. Soll sich die EU trotzdem auf eine Seite stellen?

Es gab in der Ukraine freie Wahlen mit relativ hoher Beteiligung. Diese Wahlen haben einen demokratisch gewählten Präsidenten und ein demokratisch gewähltes Parlament hervorgebracht. Kein fremder Staat darf das Recht haben, von außen auf das Geschehen im Land Einfluss zu nehmen und Konflikte zu provozieren. Politische Gegensätze gibt es in jedem Land, aber die darf keine ausländische Macht ausnützen. Präsident und Parlament in Kiew sind demokratisch legitimiert. Dass es in slowakischen Medien und im Internet auch andere Meinungen gibt, gehört grundsätzlich zur Meinungsfreiheit, die in jeder Demokratie herrscht. Wir dürfen aber auch nicht übersehen, dass Russland einen regelrechten Informationskrieg führt und Leute bezahlt, um Propaganda zu verbreiten. Als ich vor wenigen Tagen Gespräche mit der Nato-Führung in Brüssel führte, waren wir uns alle einig, dass wir uns dagegen wehren müssen.

Die baltischen Staaten und Polen fühlen sich durch Russland bedroht. Besteht auch für die Slowakei ein Sicherheitsrisiko?

So stark wie in den baltischen Ländern und Polen ist die Angst innerhalb der slowakischen Bevölkerung nicht. Dennoch zeigen jüngste Umfragen, dass auch hier bei uns Russland als jenes Land wahrgenommen wird, das unsere Sicherheit am meisten bedroht.

Unter anderem will die slowakische Armee jetzt neue amerikanische Militärhubschrauber kaufen, für die ihr die Regierung früher aus Spargründen keine Bewilligung gegeben hätte. Ergibt sich aus der Ukraine-Krise tatsächlich auch für die Slowakei eine Notwendigkeit zur militärischen Aufrüstung?

Die Notwendigkeit zur Erhöhung unserer Verteidigungsfähigkeit ergibt sich nicht erst aus der Ukraine-Krise. Die Slowakei ist mit dem Beitritt zur Nato auch eine Verpflichtung eingegangen. Es gilt nicht nur die Regel „alle für einen“, sondern auch die Regel „einer für alle“. Wir können uns nicht einfach nur auf die Beschützung durch die Bündnispartner verlassen, sondern müssen auch selbst etwas zur Stärke des Bündnisses beitragen.

ZUR PERSON

Andrej Kiska (52) verdiente als Unternehmer ein Vermögen mit Konsumentenkrediten. Mit dem Geld gründete er die Organisation Guter Engel, die krebskranken Kindern und ihren Familien hilft. Sein Wohltäterimage verhalf dem politischen Quereinsteiger bei den Präsidentschaftswahlen im März 2014 zu einem überraschenden Sieg. Er ist inzwischen zum beliebtesten Politiker des Landes geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2015)

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