Israel-Wahl: Netanjahu feiert sich als Sieger

Combination picture of Isaac Herzog, co-leader of the centre-left Zionist Union party, and Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu
Combination picture of Isaac Herzog, co-leader of the centre-left Zionist Union party, and Israeli Prime Minister Benjamin NetanyahuREUTERS
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Der Regierungschef schaffte die Aufholjagd. Seine Likud-Partei lag mit dem favorisierten Mitte-links-Bündnis in Exit Polls gleichauf. Eine vierte Amtszeit Netanjahus ist wahrscheinlich.

Jerusalem. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu gelang es in den letzten Stunden vor der Parlamentswahl, den Umfragen-Vorsprung seines linken Herausforderers Yitzhak Herzog von der Zionistischen Union  aufzuholen: Zwei von drei israelischen TV-Sendern gaben den beiden großen Lagern am Wahlabend je 27 Mandate in der 120-köpfigen Knesset, laut Exit-Polls, die zeitgleich zur Schließung der Wahllokale um 22 Uhr Ortszeit veröffentlicht wurden. Ein Sender gab Netanjahus konservativem Likud mit 28 Mandaten sogar einen leichten Vorsprung.

Die Wähler, die es Netanjahu offenbar gelang, umzustimmen, kommen vorwiegend aus dem nationalreligiösen Lager von Naftali Bennetts Siedlerpartei Das Jüdische Heim. Bennett blieb mit laut Polls mit nur neun Mandaten deutlich hinter den Erwartungen. Noch am Montag hatte Netanjahu mit der Aussage überrascht, er werde der Gründung eines Palästinenserstaates nicht zustimmen. Bisher hatte seine Regierung eine Lösung im Konflikt per Zweistaatenmodell angestrebt.

Zähe Koalitionsgespräche

Egal wer mit der Regierungsbildung beauftragt werden wird, ohne drei bis vier Koalitionspartner ist eine Mehrheit von 61 Knessetmandaten unmöglich. Sicher stehen harte Koalitionsverhandlungen bevor, vielleicht über 42 Tage oder länger, und am Ende womöglich erneut eine wacklige Regierung, die keine vier Jahre hält. Eine große Koalition, wie sie Staatspräsident Reuven Rivlin möchte, lehnt Netanjahu ab; für ihn sind die parlamentarischen Verhältnisse günstiger als fürs Mitte-Links-Lager. Netanjahu steht etwa der nationalreligiöse Bennett als natürlicher Partner zur Seite, dazu der ultranationale Avigdor Lieberman, dem mit vermutlich fünf Mandaten der Einzug in die Knesset gelang.

Das Zionistische Lager unter Herzog würde sich allein wohl mit einer Minderheitsregierung bescheiden müssen. Herzog könnte aber auf die Hilfe der Vereinten Liste der Araber zählen, die mit etwa zwölf Mandaten hinter den Erwartungen blieb.

Eine große Koalition wäre theoretisch logische Folge des Wahlausgangs. Tatsächlich deuteten Likud-Funktionäre am Abend an, Netanjahu könnte über seinen Schatten springen und eine Regierung der Einheit mit den Zionisten anstreben, wo er die Leitrolle haben würde. Für Israel und seine Nachbarn wäre das eine Katastrophe: Gerade am Ende des Wahlkampfs kristallisierten sich die Unterschiede der Lager klarer als zuvor heraus. Sie würden einander Knüppel vor die Beine werfen statt Entscheidungen voranzutreiben, die das Land so dringend braucht: Frieden mit den Palästinensern und Lösungen für das soziale Gefälle sind die großen Dauerthemen.

Herzog versprach etwa, neue Verhandlungen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) voranzutreiben. Mit Netanjahus jüngster klarer Absage zur Zweistaatenlösung wäre unter seiner Führung die internationale Gemeinschaft aufgefordert, die Bemühungen der PLO, den Konflikt zu internationalisieren, konstruktiv zu begleiten, sei es in New York oder vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, wo es schon Anfang April zu einer ersten Anklage gegen Israel kommen soll.

Probleme mit den USA

Angesichts der jüngsten extrem schlechten Beziehungen zu den USA, vor allem dem Weißen Haus, ist von dort keine Friedensinitiative zu erwarten; mehr Chancen hätte eine internationale Initiative, und die Kräfteverschiebungen in der Region seit Beginn des Arabischen Frühlings müssen dabei kein Nachteil sein: Gegenüber der palästinensisch-islamistischen Führung im Gazastreifen etwa spricht Israels Regierung dieselbe Sprache wie neuerdings Ägypten, das die Hamas auf die Terrorliste setzte.

Völlig offen bleibt, wohin das Land steuert, sollte es zu einem Vertrag zwischen den UN-Vetomächten plus Deutschland und der Regierung in Teheran zum iranischen Atomprogramm kommen. Beide Lager lehnen so sein Abkommen ab, wobei Herzog auf den Mann im Weißen Haus setzt, der Likud sich auf sich selbst verlässt. Eine der ersten Amtsgeschäfte, die Herzog als Regierungschef plante, war die Reise nach Washington, wo er die eisigen Beziehungen zwischen Washington und Jerusalem wieder auftauen wollte.

Dazu wächst in Israel die soziale Kluft, obwohl es der Wirtschaft gut geht. Die Prognosen liegen bei 3,5 Prozent Wachstum. Gleichzeitig werden fast 90 Prozent der Steuern von 20 Prozent der Bürger gezahlt. Der Mittelstand blutet. Forderungen der Sozialbewegung, die vor drei Jahren fast eine halbe Million Demonstranten auf die Straße brachte, sind noch relevant: bezahlbarer Wohnraum, Geld für Erziehung und Gesundheit.

(Knaul/red.APA/dpa/Reuters/AFP/K)

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