Der "Vater des Todesengels": Ein Schiiten-Rambo gegen den IS

Abu Azrael in typischer Pose
Abu Azrael in typischer PoseImam-Ali-Brigade
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Ein irakischer Schiit und Elitesoldat macht im Krieg gegen den "Islamischen Staat" im Nordirak derzeit große mediale Karriere. "Abu Azrael", wie man ihn nennt, symbolisiert aber auch die wachsende Macht des Iran.

"Sag: Der Engel des Todes, der über euch eingesetzt ist, wird euch (wenn eure Frist abgelaufen ist) abberufen. Hierauf werdet ihr zu eurem Herrn zurückgebracht werden."

(Koran Sure 32, Vers 11)

Er ist mittelgroß, sehr muskulös und breitschultrig. Sein Kopf ist glattrasiert, das Gesicht mit den dunkelgrünen, tiefliegenden Augen unter buschigen Augenbrauen markant eckig und von einem dichten, ja wuscheligen schwarzen Bart umrahmt.

Man sieht ihn mit Militärgewand und Stiefeln. In Wüstengegenden, zerschossenen Gassen, auf Panzern, in Geländewagen. Umgürtet mit Patronentaschen, mit Sturmgewehren amerikanischen Typs, russischen RPG-Panzerfäusten, arabischen Krummsäbeln, mit Messern, gegen das jenes von Crocodile Dundee mittelgroß wirkt. Einmal sogar mit einer enorm großen Schusswaffe, die auffällig dem schweren, panzerbrechenden Scharfschützengewehr "HS. 50" der österreichischen Firma Steyr Mannlicher ähnelt. (Am Ende dieser Geschichte finden Sie eine Diashow.)

Da ist diese Axt...

Er schaut oft finster und entschlossen. Mindestens ebenso oft aber lächelt er, wirkt gut gelaunt. Manchmal scheint er Witze zu reissen. Und dann hat er wieder eine primitiv gefertigte Axt geschultert, über deren Zweck man sich plötzlich eigenartige Gedanken zu machen beginnt.

Mit US-Sturmgewehr
Mit US-SturmgewehrImam-Ali-Brigade

Er ist Iraker und heißt angeblich Ayyub Faleh al-Rubaie. Einer breiten, primär islamischen Öffentlichkeit ist er indes jüngst unter einem ziemlich unheimlichen Namen ein Begriff, ja eine Ikone geworden: nämlich als Abu Azrael - der "Vater des Todesengels." Azrael also ist in einigen islamischen Traditionen und im Volksglauben ein Engel, sogar ein Erzengel, der die Namen der Neugeborenen notiert und die der Toten durchstreicht. Er ist der Todesengel, der im Koran noch namenlos auftaucht und einem Hadith zufolge, wo er Azrael genannt wird, die Aufgabe hat, Geschöpfen ihre Seelen wieder zu entnehmen.

Gut möglich, dass dieser Name den Iraker al-Rubaie ziemlich treffend beschreibt: Nicht zuletzt im Zuge der irakischen Offensive gegen die brutale Islamistenmiliz des "Islamischen Staates" (IS), deren Schwerpunkt zur Zeit die Schlacht um Tikrit nördlich von Bagdad ist, ist er nämlich in sozialen und konventionellen Medien als schillernder Kämpfer aufgetaucht und wird zu einer Art "Rambo" im Kampf gegen den IS stilisiert. Und zwar zu einem schiitischen Rambo: Der angeblich 40Jährige gehört nämlich (es heißt, seit vorigen Sommer) der schiitischen Kataib al-Imam Ali (Imam-Ali-Miliz) an, die gegen den IS kämpft. Diese Truppe war damals mit iranischer Hilfe neu gegründet worden und fiel auf, weil ihre Kämpfer von Anfang an recht einheitlich uniformiert, besonders gut ausgerüstet und gedrillt waren. Die Miliz gründete sogar eine eigene Einheit für Christen namens "Brigade des Geistes Gottes, seines Sohnes Jesus und Marias".

Ansturm auf seine Facebook-Seite

Seither, berichten US-Experten für Schiitenmilizen, habe die Miliz ihren offenkundigen Vorzeigekämpfer medial regelrecht aufgebaut, er besitzt auch eine Facebookseite, die zuletzt (24. März) mehr als 382.000 Fans hatte. Mit Fotos und Videos wird Abu Azrael wie anfangs angedeutet inszeniert, und zwar in einem durchaus lockeren Ton. Er fährt auf einem Rad schwer bewaffnet durch einen Ort, posiert auf Panzern und neben Kampfhubschraubern, schießt durch Mauerlücken, spricht und lacht mit Offizieren, Soldaten, Politikern, Beamten und Scheichs, erzählt in die Kamera blickend von der Front und von allerhand Begebenheiten - und das launig, bisweilen mit erhobenem Finger, wenngleich diese Geste recht ironisch herüberkommt als ob er die Soldaten dazu ermahnen würde, sich vor der Schlacht ja die Hände zu waschen.

Manchmal glänzen seine Augen vor Freude und es gibt Videos, wo er die IS-Kämpfer regelrecht verspottet. Gern sagt er, dass er seine Feinde vom IS "zu Mehl stampfen" würde. "Zu Mehl" ist bei seinen Fans mittlerweile zu einem geflügelten Wort bzw. Slogan geworden.

Gewaltszenen sollen von ihm indes (noch) nicht aufgetaucht sein, es scheint, als soll die Imagekampagne eine "saubere", "positive" sein. Dabei soll seine Brigade bzw. einige ihrer verbündeten Schiitenmilizen in der Vergangenheit durchaus mit dunklerem Social-Media-Content aufgefallen sein: Etwa mit Filmen von abgeschnittenen Köpfen.

Ein eher finsteres Selfie
Ein eher finsteres SelfieAbu Azrael

Über die wahre Identität des Schiiten-Rambos gibt es derweil keine eindeutige Klarheit. Einem iranischen TV-Sender zufolge soll er ein akademisch ausgebilder Sportlehrer an einer irakischen Universität gewesen sein, und irakischer Meister im Taekwondo. Anderen Quellen zufolge war er einst in Iraks Armee in einer Spezialeinheit, er selbst sagte zur Nachrichtenagentur AFP, dass er sich später der schiitischen "Mahdi-Armee" im Irak angeschlossen habe, die vor allem im Großraum Bagdad den US-Besatzern in Folge der Invasion im Irak 2003 jahrelang schwer zusetzte. Er gab auch an, in jüngster Vergangenheit bei Damaskus gegen syrische Regierungstruppen gekämpft zu haben.

"Ich bringe meine Kinder zur Schule"

Im übrigen, so Rubaie, sei er Vater von fünf Kindern. "Sie können mich sehen, wie ich meine Kinder zur Schule bringe und wie ich friedfertig bin. Aber denen (dem IS, Anm.) zeige ich ein anderes Gesicht."

Wie auch immer: Die mediale Inszenierung des schiitischen Vorzeigesoldaten im Irak gerade durch iranische Medien sagt einiges über die Selbstsicherheit aus, mit der der Iran, der Schutzherr der Schiiten (rund 60 bis 65 Prozent Bevölkerungsanteil im Irak), im Nachbarland auftritt. Bekannt ist ja, dass nicht nur irakische Schiitenmilizen, sondern auch iranische Offiziere und Spezialisten der Revolutionsgarden an der irakischen Offensive gegen Tikrit teilnehmen und Schiitenmilizen im Irak vom Iran unterstützt werden, ja teils von Iranern geführt werden.

Im Kreise von Fans
Im Kreise von Fansdailystar.com

Viele sunnitische Iraker (rund ein Drittel der Bevölkerung) und gerade die Kurden fühlen sich ob der klaren und wachsenden iranischen Präsenz im Land schon "unwohl", heißt es. In vorwiegend sunnitischen Staaten, etwa am Golf, dazu in Israel und nicht zuletzt in den USA ist man ebenso beunruhigt über die selbstbewusste Ausbreitung iranischer Macht auf fremden Schlachtfeldern, zuletzt nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien - und das trotz all der jahrzehntelangen Isolation und der UN-Sanktionen gegen den Gottesstaat.

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