Nach dem Wahlsieg Benjamin Netanjahus wird es wohl keine Verhandlungen mit den Palästinensern geben: Der Premier hatte knapp vor dem Urnengang die Gründung eines Palästinenserstaats abgelehnt.
Jerusalem. Der erneute Wahlsieg von Benjamin Netanjahu ist ein Todesstoß für den Nahost-Friedensprozess: Unter seiner Führung werde es keinen Palästinenserstaat geben, hatte Netanjahu noch am Vortag der Wahlen erstmals öffentlich kundgetan, um im Endspurt weitere Stimmen unter den Siedlern zu holen. „Wer einen palästinensischen Staat gründet oder den Abzug aus den (palästinensischen) Gebieten plant, räumt Land für radikal-islamische Terrorangriffe gegen Israel.“ Stattdessen sollten weiter Siedlungen „gebaut und gefestigt“ werden.
Verhandlungen mit den Palästinensern wird es jetzt wohl keine mehr geben. Worüber sollten die Palästinenser, die seit 20 Jahren nichts anderes als der Traum vom eigenen Staat zum Dialog mit dem Besatzer treibt, noch verhandeln? US-Außenminister John Kerry lehnte es am Mittwoch ab, den Wahlsieg Netanjahus zu kommentieren. Die öffentliche Absage des israelischen Premiers an die Zweistaatenlösung ist auch für den US-Außenminister, der über Monate den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln versuchte, ein Schlag ins Gesicht.
Palästinenser sind wütend
Netanjahu hielt in den vergangenen sechs Jahren seiner Regierung offiziell an dem Ziel der zwei Staaten für zwei Völker fest. Parallel setzte er im besetzten Palästina mit forciertem Siedlungsbau jedoch genau die Politik um, die bisher nur sein Koalitionspartner Naftali Bennett laut auszusprechen wagte: die Annexion von 50 Prozent – und mehr – palästinensischen Gebiets. Netanjahus Sieg, so kommentierte Saeb Erekat, palästinensischer Chefunterhändler bei den Friedensverhandlungen, sei das Ergebnis einer „Kampagne, die sich auf Siedlungen, Rassismus, Apartheid und Aberkennung grundsätzlicher Menschenrechte stützt“.
Da sich Israel jetzt für das Begräbnis des Friedensprozesses entschieden habe, so Erekat, sei die internationale Gemeinschaft aufgefordert, den Druck zu verstärken. Die Parlamente von sieben EU-Staaten, darunter Großbritannien und Frankreich, haben vergangenes Jahr ihre Regierungen dazu gedrängt, Palästina anzuerkennen. Die schwedische Regierung entschied sich bereits im Oktober dazu. Immer mehr Unternehmen boykottieren zudem die Zusammenarbeit mit israelischen Firmen, die von der Besatzung profitieren. Supermarktketten in der Schweiz und Holland verweigern die Vermarktung von Siedlerprodukten.
Die Palästinenser werden nun verstärkt versuchen, unilateral vorzugehen. Bisher mussten sie Konsequenzen fürchten, wenn sie im Alleingang die Gründung ihres Staats voranzutreiben versuchten. Israel legte Ende vergangenen Jahres die monatlichen Überweisungen der palästinensischen Zoll- und Steuereinnahmen auf Eis – als Strafmaßnahme dafür, dass Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas den Beitritt zur Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs beantragt hatte.
Verfahren beim Strafgericht
Und auch die USA kritisierten die Führung in Ramallah dafür scharf. Im Herbst ist mit einem erneuten Antrag beim UN-Sicherheitsrat um die Anerkennung Palästinas zu rechnen. Bisher verhinderten die USA den unilateralen Vorstoß mit der Warnung, ein Veto einzulegen.
Beim Strafgerichtshof in Den Haag könnten schon im April die ersten Verfahren aufgenommen werden. Laut Erekat sollen die Prozesse nun „beschleunigt und intensiviert“ vorangetrieben werden. Der Ausgang der israelischen Wahl ist Wasser auf den Mühlen der PLO und ihrer Bemühungen, den Konflikt verstärkt auf die internationale Ebene zu heben. Mit vereinten Kräften werden die Funktionäre der PLO und ihre Freunde im Ausland den Boykott gegen Israel intensivieren. Mehr denn je sei es nun notwendig, „den friedlichen Widerstand und den Boykott gegen die Besatzungsmacht auszuweiten“, sagte PLO-Funktionär Wasel Abu Jussef zum Wahlergebnis.
Ob Abbas die Entscheidung der PLO umsetzen wird, die Sicherheitskooperation mit Israel aufzukündigen, blieb zunächst offen. Erekat stellte in Aussicht, dass die Palästinenser den Druck auf den Palästinenserpräsidenten in dieser Frage erhöhen könnten. Der palästinensische Sicherheitsapparat arbeitet Hand in Hand mit den israelischen Soldaten gegen die Hamas im Westjordanland. Die islamistische Führung im Gazastreifen drängte infolge des Wahlsiegs von Netanjahu, der „kein Interesse an einer Lösung“ habe, erneut dazu, die Beziehungen „zur Besatzungsbehörde“ aufzukündigen.
Die Sicherheitskooperation zwischen Abbas und Israel ist einer der Stolpersteine auf dem Weg zur innerpalästinensischen Versöhnung zwischen den beiden großen Fraktionen Fatah und Hamas.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2015)