Sanktionen: Wie sich Russland rächt

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RUSSIA PUTIN(c) APA/EPA/SERGEI ILNITSKY / POOL (SERGEI ILNITSKY / POOL)
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Auf einer schwarzen Liste sollen sich mehr als 200 Politiker und Beamte befinden, der Großteil davon aus EU-Ländern. In Moskau spricht man von einer Reaktion auf die EU- und US-Sanktionen.

Wien/Moskau. Der Kreml hat als Antwort auf die Sanktionen des Westens eine eigene Liste mit unerwünschten Personen erstellt. Über mehr als 200 Personen sollen Einreiseverbote verhängt werden, berichtete die Zeitung „Iswestija“ am Donnerstag unter Berufung auf die Präsidialadministration. EU und USA hatten vor einem Jahr als Reaktion auf die russische Krim-Annexion begonnen, Verantwortliche mit Einreiseverboten und Kontosperren zu belegen. Im Zuge des Kriegs im Donbass wurde die Liste erweitert.

Die nun von Moskau genannte Zahl 200 entspricht in etwa dem Ausmaß des EU-Listings. Mit EU-Einreiseverboten und Kontosperren sind derzeit 151 Russen und Ukrainer sowie 37 Entitäten (Verbände, Parteien, Separatistenbataillone) belegt. Unklar ist, ob die russischen Strafmaßnahmen ab sofort gültig sind. Die „Iswestija“ schreibt, dass die genannten Personen „Einreiseverbote erhalten können“. Es dürfte auch um den Aufbau einer Drohkulisse gehen, schätzen Diplomaten. Zu dieser Optik passt, dass der Inhalt der Liste geheim bleiben soll. Im Wiener Außenamt weiß man nicht, ob Österreicher sanktioniert wurden. Vorwarnungen gab es keine.

Grünen-Politikerin auf „Stopp-Liste“

Der Großteil der betroffenen Politiker, Beamten und öffentlichen Würdenträger stamme aus der EU, heißt es in dem Artikel. Die Betroffenen seien durch russlandfeindliche Standpunkte aufgefallen; weiters würden sie über Vermögen in Russland verfügen. Offenbar bekamen russische Botschaften in EU-Ländern, Kanada und den USA den Auftrag, mutmaßlich „russophobe“ Personen zu melden. In Sitzungen von Regierungsbeamten und Kreml-Vertretern sei die finale Liste erstellt worden.

Auch in der Vergangenheit hat Moskau unliebsamen Politikern die Einreise verwehrt. Im September 2014 wurde die grüne EU-Parlamentarierin Rebecca Harms nicht ins Land gelassen, obwohl sie einen Diplomatenpass besaß. Als Grund wurde angeführt, dass sie die EU-Sanktionen befürwortet habe. Die deutschen Behörden gingen damals von der Existenz einer inoffiziellen „Stopp-Liste“ aus. Im Jänner erhielt eine von dem Litauer Gabrielius Landsbergis geleitete Europarlamentarierdelegation keine Einreisegenehmigung.

Als einzelnes Land führen die USA die Liste an: Nicht weniger als 60 Menschen könnte künftig die Einreise nach Russland untersagt werden. Unter den Gelisteten soll sich die Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten, Caroline Atkinson, befinden. Auch mehrere prominente Senatoren sind betroffen: Der Demokrat Bob Menendez etwa, oder der Republikaner John McCain, wortgewaltiger Befürworter von US-Waffenlieferungen an die Ukraine.

Ebenso sollen 13 kanadische Politiker und 15 ungarische Politiker betroffen sein, schrieb die „Iswestija“. Interessant ist die hohe Zahl ungarischer Unerwünschter, steht Ungarn doch einer Verschärfung der Sanktionen skeptisch gegenüber.

Anruf in der Botschaft erbeten

Von österreichischen Gelisteten war zunächst nichts bekannt. Die russische Botschaft in Wien wollte gegenüber der „Presse“ keinen Kommentar über österreichische Nennungen abgeben. Man könne sich telefonisch erkundigen, ob man persönlich betroffen sei; allgemeine Auskünfte würden nicht erteilt. Alexej Puschkow, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses der Duma, schloss gegenüber „Iswestija“ nicht aus, dass künftig auch Geschäftsleute von den Strafmaßnahmen betroffen sein könnten. Sollten die Sanktionen von EU und USA weiter verschärft werden, werde man ebenfalls über eine Erweiterung der Liste nachdenken.

EU bleibt bei Sanktionen

Die EU-Sanktionen gegen Russland werden nach den Worten von EU-Ratspräsident Donald Tusk so lange aufrecht bleiben, bis die Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk vollständig umgesetzt ist. Es sei in der Gipfelerklärung festgehalten worden, dass die Dauer der Wirtschaftssanktionen an die vollständige Umsetzung der Vereinbarung von Minsk geknüpft wird, sagte Tusk am Donnerstag in Brüssel.

Damit wird die Aufhebung der im vergangenen Juli und September verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland frühestens Ende des Jahres möglich. Denn das am 12. Februar geschlossene Minsker Abkommen zwischen der Ukraine, Russland und den prorussischen Separatisten sehe die Umsetzung aller Deeskalationsschritte erst zum Ende 2015 vor, betonte Tusk. Notfalls behalte sich die EU weitere Schritte vor. Die EU werde für Juni einen Aktionsplan dazu
ausarbeiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2015)

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