Frankreich: Eine rechte Ohrfeige für die Linksregierung

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Bei den Regionalwahlen profitierte der extrem rechte Front National von der Schwäche und vom Sparkurs der Linksregierung von Premierminister Manuel Valls.

Beim ersten Wahlgang in 2054 Wahlkreisen der etwa 100 französischen Departements zeichnete sich am Sonntag der erwartete Rechtsruck ab: Laut Exit-Polls von 20 Uhr triumphierte die konservative UMP von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy mit 29 Prozent der Stimmen vor dem rechtsradikalen Front National von Marine Le Pen (27 Prozent) und den regierenden Sozialisten (21,5%). Mit Verbündeten kommen die UMP sogar auf 37% und die Sozialisten auf 29.

Der von vielen erwartete Platz eins für den FN ging sich wohl nicht aus, sein Vormarsch hält aber an. Diese Wahlen wurden von den Bürgern offenbar genutzt, um ihre Enttäuschung, ja Wut, über die Regierung und die missliche Lage Frankreichs abzureagieren. Alles deutete darauf hin, dass diese sich die Chance nicht nehmen ließen, um Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls eine politische Ohrfeige zu verpassen. Den Kopf hinhalten aber mussten die lokalen Kandidaten des Parti Socialiste, der wohl einen Großteil der bisher 60 seit 2011 von ihm regierten Departements verlieren wird. „Schlappe“, „Fiasko“, „Beresina“ – Frankreichs Medien hatten am Sonntagabend die Qual der Wortwahl.

Vor Waterloo der Linken

Einen persönlichen Triumph erwartet FN-Chefin Le Pen. Sie sieht im Vormarsch des FN ein Sprungbrett für die Präsidentschaftswahl 2017. Erstmals ist es ihm gelungen, fast in allen Wahlkreisen Kandidaten für die obligatorisch paritätischen Zweierlisten (eine Frau, ein Mann) zu finden, um so ihren Stimmenanteil zu maximieren.

Der FN hat diese lokalen Wahlen fast durchwegs auf dem Terrain der nationalen Politik geführt. Fast unabhängig vom Programm und der Wahlkampagne greifen heute gleichermaßen bisherige Wähler der konservativen UMP wie des PS oder der Kommunisten zur FN-Liste, um gegen „das System“ und „die da oben“ zu protestieren.

Aus den Ergebnissen der Departementswahlen, zu denen insgesamt 43 Millionen Bürger aufgerufen sind (in Paris, Lyon und einigen Überseegebieten wie Martinique wird nicht gewählt) lässt sich die politische Stimmung ablesen. Seit Wochen deuteten alle Umfragen auf ein Waterlooo der Linken hin. Ebenfalls stand im Voraus fest, dass die Regierung mit ihrer pragmatischen, aber unpopulären Sparpolitik, die im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht fruchten will, keine Wahl gewinnen kann. Die Unzufriedenheit ist so groß, dass jede lokale Wahl zum Plebiszit gegen die Führung werden muss.

Auch Enthaltungen oder leere Wahlzettel werden in diesem Kontext als Misstrauensvotum interpretiert. Geradezu „suizidär“ mutete laut „Libération“-Chefredakteur Laurent Joffrin die Spaltung der politischen Linken (Sozialisten, Grüne, Linksfront) bei diesen Wahlen an. In 90 Prozent der Wahlkreise standen mindestens zwei linke Listen in Konkurrenz, während auf der Gegenseite die Konservativen von Nicolas Sarkozys UMP und die Zentrumsdemokraten der UDI in 80 Prozent der Fälle gemeinsam antraten.

Gewinne für Sarkozys Rechte

Die bürgerliche Rechte, die bei der zweiten Wahlrunde am kommenden Wochenende häufig mit Listen des Front National konfrontiert sein wird, konnte gestern indes auf große Gewinne in Departements hoffen, die sie zuletzt an die Linke verloren hatte. Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der kürzlich die Parteiführung der UMP übernommen hat, möchte die „blaue Welle“ als persönlichen Erfolg und Bestätigung seines Comebacks verbuchen.

HINTERGRUND

In rund 100 Departements (Bezirken) Frankreichs – insgesamt gibt es 101 – wird an zwei Wochenenden hintereinander gewählt, wobei etwa 43 Millionen Franzosen wahlberechtigt waren bzw. sind. Aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gewählt wird in Paris, das gleichzeitig Gemeinde und Departement ist und seine Vertreter bei den Gemeindewahlen bestimmt; das Gleiche gilt für die mit 1. Jänner geschaffene Metropolregion Lyon, wo bereits im Vorjahr gewählt worden ist. Auch in einigen französischen Überseegebieten wie Martinique und Französisch-Guayana wird jetzt nicht gewählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2015)

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