Die „Kaste“ der Großparteien geht doch nicht unter

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Entgegen allen Prognosen triumphierten bei Wahlen in Spanien und Frankreich nicht radikale Anti-Establishment-Bewegungen, sondern etablierte Altparteien – auch aus Angst vor griechischen Zuständen.

Den Anfang des Endes etablierter Parteien hatten Meinungsforscher und Medien seit Wochen prophezeit, sowie einen triumphalen Siegeszug der radikalen Anti-Euro-Bewegungen. Doch bei der Regionalwahl im südspanischen Andalusien und der Abstimmung in rund 100 französischen Departements kam es am Sonntag ganz anders: In beiden Ländern setzten sich überraschend die großen Volksparteien durch. Die linksradikale spanische Podemos sowie der rechtsextreme französische Front National indes mussten sich mit einem bescheidenen Achtungserfolg zufriedengeben.

So feierte in Sevilla am Montag statt der charismatischen Lehrerin Teresa Rodriguez von Podemos ihre dynamische sozialistische Rivalin Susana Díaz den Sieg; wohl auch dank der bisherigen Regierungschefin haben die Sozialisten (PSOE) in ihrer nationalen Hochburg am Sonntag die absolute Mehrheit nur knapp verfehlt. Podemos landete mit 15 der insgesamt 109 Sitze schlechter als erwartet auf Platz drei – sogar hinter den im Korruptionssumpf versinkenden Konservativen von Premier Manuel Rajoy, die auch noch wegen des Sparprogramms von den Andalusiern abgestraft wurden. Der Partido Popular (PP) rutschte in Andalusien auf ein historisches Tief ab. Beobachter deuteten dies bereits als Vorgeschmack auf ein Debakel, das Rajoy bei der Parlamentswahl im Herbst erwarten könnte.

Der Anti-Syriza-Effekt

Im Gegensatz zu den Konservativen schienen die Sozialisten bei dieser Wahl gegen die zahlreichen Korruptionsskandale, in die auch PSOE-Regionalpolitiker verwickelt sind, immun gewesen zu sein – und das haben sie wohl vor allem der Persönlichkeit von Díaz zu verdanken. Durch ihre unermüdlichen Attacken gegen die „korrupten“ Konservativen und Warnungen vor der chaotischen Podemos-Truppe konnte sie ihre Partei als Garant für Stabilität positionieren.

Vor allem in den ländlichen Regionen, wo die Skepsis gegenüber der jungen Radikalen von Podemos am größten ist, punkteten die Sozialisten damit. Díaz schaffte es sogar, traditionelle Wähler der Konservativen für sich zu gewinnen: Zahlreiche Unternehmer stimmten aus Angst vor einem Erstarken von Podemos – und der befürchteten daraus resultierenden Instabilität – diesmal für die Sozialisten. Viele Wähler könnten auch die chaotischen Zustände in Griechenland abgeschreckt haben, wo derzeit mit Syriza die linksradikale Zwillingspartei von Podemos an der Macht ist: „Der Syriza-Effekt könnte langfristig Podemos schaden“, sagt Yves Bertoncini, Direktor des Thinktanks Notre Europe in Paris, der „Presse“.

Das Zwei-Parteien-System in Spanien sei zwar entgegen allen Unkenrufen weit von seinem prognostizierten Ableben entfernt – doch der rasante Aufstieg der erst knapp ein Jahr alten Podemos und ihres aufstrebenden bürgerlichen Pendants Ciudadanos könnte den etablierten Parteien das Leben schwerer machen, warnt Bertoncini: „Podemos und Ciudadanos sollten sie zu größeren Anstrengungen antreiben“, fordert José Ignacio Torreblanca vom European Council of Foreign Relations.

Auch in Frankreich hat sich allen Umfragen zum Trotz beim ersten Durchgang der Departementswahlen die konservative Rechte mit 36 Prozent der Stimmen deutlich gegen den Front National durchgesetzt. Erfolgreich war sie auch dank der Wähler der politischen Mitte: Für die oppositionelle UMP des Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy hat es sich ausgezahlt, dass er in den allermeisten Wahlkreisen mit dem bürgerlichen Zentrum (UDI) gemeinsame Listen aufgestellt hatte.

Angeschlagener Hollande überlebt

Marine Le Pens Front National hingegen, dem die Umfragen mit mehr als 30 Prozent einen spektakulären oder sogar historischen Durchbruch vorausgesagt hatten, erreichte nur 25 Prozent. Der Erfolg ist dennoch mehr als beachtlich: Der FN, der bisher nur über einen einzigen Sitz in einem Departementsrat verfügte, hat auf Anhieb acht Mandate erobert. Das bedeutet konkret, dass in diesen Wahlkreisen mehr als die Hälfte der Bürger den FN gewählt hat.

Sarkozy schaffte es allerdings, dem Front National einige Wähler abspenstig zu machen: Seine Partei hat mit einigem Erfolg in ihrer Wahlkampagne einige Themen der Rechtspopulisten übernommen, um so dem FN bei den über die Linksregierung wütenden Bürgern das Wasser abzugraben. Der Ex-Präsident hat sofort nach dem Bekanntwerden der ersten Ergebnisse angekündigt, dass die UMP in den Wahlduellen, in denen sie selbst nicht mehr präsent ist, weder die Linke noch die extreme Rechte unterstütze. Den FN-Sympathisanten aber hat er in einem Appell versichert, die UMP biete die echten Lösungen für ihre Probleme und Ängste an.

Trotz Wirtschaftskrise und der Unbeliebtheit von Präsident François Hollande konnten die Sozialisten diese Wahl erstaunlich gut „überleben“: Der PS kam auf etwa 28 Prozent. Eine Ohrfeige erhielt hingegen die radikale Linke – Linksfront (Kommunisten und Linkspartei) sanken auf 6,5 Prozent, die Grünen sogar auf 1,4 Prozent.

Sarkozy verpasste UMP Leadership

Dass die französische bürgerliche Rechte ein Comeback feiere, sei freilich vor allem Sarkozy zu verdanken, meint der französische Politologe Bertoncini. Wobei er den Erfolg nicht so sehr auf die Persönlichkeit des wegen seines ausschweifenden Lebensstils kritisierten Ex-Staatschefs zurückführt. Sondern vielmehr auf seine Führungsrolle: „Sarkozy hat es durch seine Rückkehr geschafft, die internen Machtkämpfe zu beenden. Dank Sarkozy gibt es in der UMP zumindest wieder eine Leadership, die Partei wird dadurch wieder glaubwürdig“, sagt er.

Dass sich die UMP nun wieder als glaubhafte Alternative zu den Sozialisten positioniere, sei eine „gute Nachricht“ für Frankreich, da vom Machtkampf innerhalb des bürgerlichen Lagers Anti-System-Parteien wie Front National profitieren würden. Allerdings hofft Bertoncini bei der Präsidentenwahl 2017 neue Gesichter zu sehen: Nicolas Sarkozy und François Hollande symbolisierten für viele Wähler „das alte, verrottete System der Krise“. Und davon profitiere vor allem Marine Le Pen.

Auf einen Blick

Im südspanischen Andalusien gewannen bei Regionalwahlen die regierenden Sozialisten 47 der 109 Parlamentssitze. Regierungschefin Susana Díaz wird nun eine Minderheitsregierung bilden oder sich einen Bündnispartner suchen. Die linksradikale Podemos errang 15 Mandate, blieb damit aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Ihr sozialliberales Pendant, Ciudadanos, das erstmals in Andalusien kandidiert hatte, gewann neun Sitze.

Auch in Frankreich setzten sich bei der ersten Runde der Departementswahlen die Konservativen unter Nicolas Sarkozy mit 36 Prozent der Stimmen durch. Der Front National schnitt mit 25 Prozent schlechter als erwartet ab, die regierenden Sozialisten kamen auf 28 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2015)

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