Ungarn: Jobbik sitzt Orbán im Nacken

(c) APA/EPA/Tamas Kovacs
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Die rechtsextreme Jobbik liegt in Umfragen bei 18 Prozent und damit nur noch drei Prozentpunkte hinter der Regierungspartei Fidesz.

Budapest. Jobbik sitzt Premier Viktor Orbán und dem regierenden Fidesz im Nacken. Laut der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos beträgt der Rückstand der rechtsradikalen Partei auf den Fidesz nur noch drei Prozentpunkte. Während der Fidesz unter allen Wahlberechtigten auf 21 Prozent kommt, liegt Jobbik bei 18 Prozent, Tendenz steigend. Im Februar lag die rechtsextreme Kraft noch bei 16 Prozent.

Binnen eines Jahres konnte die rechtsradikale Partei ihr Wählerlager um mehr als eine halbe Million Menschen vergrößern, darunter befinden sich schätzungsweise rund 200.000 ehemalige Fidesz-Wähler. Was dem Fidesz noch mehr Kopfzerbrechen bereiten dürfte: Im Kreis der Unter-30-Jährigen liegt Jobbik bei 21 und die Regierungspartei nur bei 17 Prozent.

Angesichts der steigenden Popularitätswerte der rechtsradikalen Partei verkündete Parteichef Gábor Vona bereits, dass bei den Parlamentswahlen 2018 Jobbik „erster Herausforderer“ des Fidesz sein werde. „Die ungarische Innenpolitik läuft auf Folgendes hinaus: Fidesz oder Jobbik“, betonte Vona.

Der Jobbik-Vorsitzende wies darauf hin, dass seine Partei nicht mehr bloß im rückständigen Nordosten Ungarns eine maßgebliche Kraft sei, sondern im gesamten Land. Dies sei durch die Kommunalwahlen im Herbst des Vorjahres untermauert worden, als Jobbik in 17 von 19 Komitaten (vergleichbar mit den Bundesländern) zweitstärkste Kraft wurde und in mehreren größeren Städten Bürgermeisterstühle errang.

Ungarns Linke liegt darnieder. Vona verhöhnt sie als „moralisch und politisch“ zerfallen“. In den Umfragen haben die vier wichtigsten linken Kräfte etwa denselben Zuspruch wie Jobbik allein. Nur die Sozialisten (MSZP), die zwischen 2002 und 2010 am Ruder waren, stehen mit zwölf Prozent noch einigermaßen gut da. Das Erstarken von Jobbik ist aber auch dem massiven Popularitätsverlust des Fidesz geschuldet. Innerhalb eines Jahres hat der Fidesz mehr als eine Million Wähler verloren. Umstrittene Regierungsmaßnahmen haben auch ihren politischen Tribut gefordert: etwa die geplante Einführung einer Internetsteuer (Herbst 2014), die Entscheidung, den Sonntag zum einkaufsfreien Tag zu machen (seit 15. März) oder die Erhebung einer Werbesteuer, die viele ungarische Medienorgane auszubluten droht.

Andererseits hört man auch immer mehr Stimmen, die sagen, dass Orbán nicht mehr Herr im eigenen Haus, sprich dem Fidesz, sei. So werde er zunehmend von den „Jungtürken“ in der Partei bedrängt, die unübersehbar von Machtgier und Geltungssucht getrieben sind. Hinzu kommt der Clinch Orbáns mit seinem ehemaligen Intimus und heutigen Medienzaren, Lajos Simicska. Als Folge des Konflikts schlagen die bislang regierungsloyalen Simicska-Medien, insbesondere die Tageszeitung „Magyar Nemzet“, seit einiger Zeit ungewohnt kritische Töne gegenüber der Regierung Orbán an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2015)

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