Cameron und Miliband Kopf an Kopf

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Vor der britischen Parlamentswahl am 7. Mai liegen die Konservativen und die Labour Party gleichauf. Kleinparteien könnten zum Zünglein an der Waage werden.

London. In einer Vorsprache bei Queen Elizabeth wird der britische Premierminister David Cameron heute, Montag, um die Auflösung des Parlaments ersuchen. Damit beginnt offiziell der Wahlkampf für die Unterhauswahl am 7. Mai. Allen Umfragen zufolge liegen die regierenden Konservativen und die oppositionelle Labour Party mit über 30Prozent etwa gleichauf, wenngleich die „Sunday Times“ gestern Labour mit 36 zu 32 Prozent deutlich voran sah. Aufgrund der Wahlkreisverteilung würde Herausforderer Ed Miliband bei einem derartigen Ergebnis Tory-Chef David Cameron als Premierminister ablösen.

Die Konservativen präsentieren das als ein Horrorszenario. In zunehmend persönlich untergriffigen Attacken wird der Labour-Spitzenkandidat als „schwach“ angegriffen, der eine Gruppe von „scheinheiligen, selbstgerechten, hoffnungslosen, höhnischen Sozialisten“ anführe, wie es Cameron am Wochenende bei der Frühjahrskonferenz der Konservativen formulierte. Selbst in einer TV-Debatte in der Vorwoche musste sich Miliband die Frage gefallen lassen: „Sind Sie stark genug, um Premierminister zu werden?“

Miliband steckt die Angriffe, die bei Weitem nicht nur vom politischen Gegner kommen, bisher bemerkenswert ungerührt weg. „Das ist, was passiert, wenn man sich traut, die Mächtigen herauszufordern“, sagt seine Frau Justine. „Wer wirkliche Veränderung bringen will, wird angegriffen.“ Sein Thema im Wahlkampf ist der Schutz des öffentlichen Gesundheitswesens – eines unreformierbaren Molochs, der Milliarden verschlingt, an den die Briten aber fast religiös glauben.

Vertreter der einfachen Leute

Im Gegensatz zu der Labour-Generation von Tony Blair wirbt Miliband nicht um die Unterstützung der Wirtschaft und der Banken, sondern positioniert sich als Vertreter der einfachen Leute. „Wann bringen Sie den Sozialismus zurück?“, rief ihm ein Parteiaktivist im September 2013 zu. „Das ist genau das, was wir machen, Sir“, lautete die Antwort.

Genau davor werden die Konservativen nicht müde zu warnen. „Kompetenz oder Chaos?“ lautet ihr Slogan, und sie rühmen sich damit, Großbritannien wieder auf den Wachstumspfad geführt und gleichzeitig das Defizit halbiert zu haben. Dass heute erstmals seit sieben Jahren die Realeinkommen wieder steigen, verbuchen sie ebenfalls für sich, wenngleich man wohl eher vom Glück des Tüchtigen sprechen kann.

Obwohl die Wähler für die unvollendete Sanierung des Haushalts einen hohen Preis bezahlten, liegen die Tories in Fragen der Wirtschaftskompetenz weit voran. Dass es ihnen bisher nicht gelungen ist, das in den Umfragen in eine klare Führung umzumünzen, hat auch damit zu tun, dass sie in der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (UKIP) unter Nigel Farage einen ernsten Herausforderer haben.

Die Partei, die einen EU-Austritt und einen Stopp der Einwanderung fordert, liegt in allen Umfragen um die 15 Prozent. Obwohl das nach dem Mehrheitswahlrecht nur zu wenigen Sitzen reichen wird, kann UKIP zum Zünglein an der Waage werden. Insbesondere unter den EU-Gegnern bei den Konservativen können sich viele eine Zusammenarbeit mit den Populisten durchaus vorstellen.

Pakt mit SNP wäre Gift

Vor einem ähnlichen Dilemma steht am linken Rand die Labour Party mit der Scottish National Party (SNP), die nicht weniger als 47 der 59 verfügbaren Mandate in Schottland gewinnen könnte, während Labour nur elf ihrer bisher 41 Sitze verteidigen würde. Während die Nationalisten von einem „historischen Triumph“ träumen, so SNP-Fraktionschef Angus Robertson, hat die Labour Party bisher keine Antwort auf die Herausforderung gefunden: Ein Pakt mit der SNP wäre in England politisches Gift, während der Partei in Schottland das politische Aus droht.

Im Schatten dieser Ausformungen eines Rechtsblocks Tories/UKIP und einer Linksfront Labour/SNP können sich möglicherweise die Liberaldemokraten eine Nische für ihr politisches Überleben sichern. Die Partei von Nick Clegg zahlte für ihren Eintritt in eine Koalition mit den Konservativen vor fünf Jahren einen hohen Preis und liegt in Umfragen bei sechs Prozent. Aber zuletzt hat sich stille Zuversicht in der Partei ausgebreitet, und Clegg erklärte zum Wahlkampfauftakt: „Wir werden besser abschneiden, als alle erwarten.“

Gerüchten zufolge soll Cameron mittlerweile sogar das bisher Undenkbare erwägen und privat eine Fortsetzung der Koalition Tories/Liberale nicht ausschließen. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass ihm seine Partei bei einem neuerlichen Verfehlen der absoluten Mehrheit wie 2010 die seidene Schnur überreichen wird.

AUF EINEN BLICK

Premier bei der Queen. Am heutigen Montag wird der britische Premierminister, David Cameron, bei Elizabeth vorsprechen, um sie um die Auflösung des Parlaments zu ersuchen. Das ist der Startschuss für den Wahlkampf. Die Unterhauswahl findet dann am 7. Mai statt. Laut allen bisher veröffentlichten Umfragen liegen die regierenden Konservativen und die oppositionelle Labour Party mit etwas über 30 Prozent etwa gleichauf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2015)

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