Atomkonflikt mit Iran: "Näher waren wir uns nie"

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Deutschlands Außenminister zeigt sich vor dem heute beginnenden "Endspiel" in den Verhandlungen optimistisch. Zugleich gibt es Berichte über einen neuen Rückschlag.

Die Atomgespräche mit dem Iran werden heute, Montag, in großer Runde im schweizerischen Lausanne fortgesetzt. Am Vormittag wollen die Außenminister aus den sieben den den Verhandlungen beteiligten Ländern ausloten, ob eine Einigung bis zur selbst gesetzten Frist am 31. März möglich ist. Immer noch sind wichtige Punkte wie etwa die Laufzeit eines Vertrages und die Art der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran umstritten.

Nach den Worten von Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist das "Endspiel" bei den Verhandlungen erreicht: "Näher waren wir uns in den vergangenen Jahren nie. Aber es sind auch noch einige Hürden zu überwinden", sagte Steinmeiner am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".

Für den Iran ist die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen nach den Worten von Vizeaußenminister Abbas Araqhchi von zentraler Bedeutung. Um eine Einigung zu erreichen, werde es wohl nötig sein, bis zur letzten Minute zu verhandeln, sagte Araqhchi.

Aus deutschen Delegationskreisen verlautete, Nachrichten über eine vorläufige Einigung in den Verhandlungen mit dem Iran seien nicht nur verfrüht, sondern auch falsch. "Die Verhandlungen sind in einer kritischen Phase."

Neue Hürde in Verhandlungen?

Die AFP berichtete sogar, der Iran habe  nun seine Zustimmung zurückgezogen, einen großen Teil seines angereichterten Urans außer Landes zu schaffen. Das komme gar nicht in Frage, soll demnach Araqhchi erklärt haben. Man habe Jahre und Milliarden Dollar in die Anhäufung des Urans investiert. Es könnte aber andere Löusngswege geben, darunter auch, bereits angereichertes Uran zu verdünnen, zitierte die "New York Times" Experten. Dennoch berichtete das Blatt von einer "möglichen Hürde zu diesem kritischen Zeitpunkt der Verhandlungen".

Die Außenminister aus den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland wollen mit dem Iran bis Dienstag ein Rahmenabkommen aushandeln, um darauf aufbauend bis Juni den Atomstreit beizulegen. Es geht um die Gewissheit, dass Teheran keine Atombombe baut. Ein Vertrag wäre auch ein historischer Schritt in den Beziehungen der Islamischen Republik zum Westen.

Knackpunkte bei den Verhqanlungen

BREAK-OUT TIME"

Der Westen strebt eine Regelung mit dem Iran an, wonach Teheran mindestens ein Jahr brauchen würde, um genügend spaltbares Material - Uran 235 oder Plutonium - für den Bau einer einzigen Atombombe herzustellen ("Break-out time").

GÜLTIGKEITSDAUER EINES ABKOMMENS

Während der Iran für die Dauer der Gültigkeit eines umfassenden Atomabkommens acht Jahre vorgeschlagen hat, wollen die USA die atomaren Fähigkeiten der Islamischen Republik für 20 Jahre eingeschränkt und Kontrollen unterworfen sehen. Als möglicher Kompromiss ist eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren im Gespräch.

Frankreich verlangt mindestens 15 Jahre plus zusätzlich zehn Jahren, in denen das iranische Atomprogramm strengen Kontrollen unterworfen werden soll.

URANANREICHERUNG

Ursprünglich wollte der Iran sämtliche seiner Uran-Anreicherungszentrifugen behalten. Derzeit sind von rund 20.000 etwa 10.000 Zentrifugen im Betrieb. Der Westen verlangte zuerst eine Verringerung dieser Zahl auf einige Hundert, zeigte sich aber zuletzt gesprächsbereit über eine höhere Anzahl. Der Iran möchte 9.000 Zentrifugen behalten. Medienberichten zufolge könnte Washington Teheran 6.000 Zentrifugen älterer Bauart zugestehen. Die Zahl der Zentrifugen bleibt aber weiterhin umstritten.

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG

Nach Angaben aus Verhandlerkreisen strebt Teheran danach, seine Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur Herstellung fortschrittlicher Anreicherungszentrifugen ungehindert fortzusetzen. Im Westen steht man diesem Wunsch äußerst ablehnend gegenüber, weil der Iran auf diese Weise Uran 235 schneller anreichern und damit dem Bau einer Atombombe rascher näher kommen könnte.

PLUTONIUM

Der Schwerwasserreaktor in Arak, bei dessen Inbetriebnahme Plutonium anfallen würde, ist dem Westen nach wie vor ein Dorn im Auge. Ursprünglich verlangte er den Abriss des Reaktors, was Teheran ablehnte. Stattdessen bot der Iran an, den Reaktor so umzubauen, dass nur geringe Mengen Plutonium anfallen würden. Zudem hat Teheran zugesichert, keine Technologie zur Gewinnung von Plutonium aus gebrauchten Brennstäben zu entwickeln.

FORDO

Die unterirdische Urananreicherungsanlage in Fordo soll nach Angaben der iranischen Regierung in eine Forschungsanlage umwandelt werden. Westliche Vertreter wünschen sich, dass in der Anlage künftig keinerlei anreicherungsbezogene Aktivitäten mehr stattfinden. Teheran pocht aber auf seine "Recht", Forschungen zur Entwicklung moderner Anreicherungszentrifugen zu betreiben.

URAN-BESTÄNDE

Zu den Diskussionspunkten bei den Atomverhandlungen zählt auch die Frage der Größe der iranischen Bestände an angereichertem Uran 235 und wieviel davon nach Russland oder in ein anderes Land ausgelagert werden sollte. Je weniger Uran-Bestände der Iran besitzt, desto mehr Zentrifugen würden ihm seitens des Westens zugestanden. Ursprünglich wollte der Iran jährlich 2,5 Tonnen Uran anreichern, er könnte sich aber mit einer halben Tonne zufriedengeben. Nach Ansicht des Westen würde eine jährliche Produktion von mehr als 250 kg als problematisch einstuft.

SANKTIONEN

Die Frage des Zeitplans der Aufhebung der gegen Teheran verhängten Sanktionen zählt zu den heikelsten Punkten. Während Teheran eine sofortige Aufhebung fordert, wollen der Westen, allen voran die USA, nur eine schrittweise Lockerung zugestehen. Bei Erreichen eines umfassenden Abkommens mit dem Iran könnten einige UN-Sanktionen sofort aufgehoben werden während andere Strafmaßnahmen in Kraft bleiben würden.

Nach Vorstellungen der US-Regierung sollen die Sanktionen vorerst suspendiert und später beendet werden. Die US-Republikaner, die beide Häuser des Kongresses beherrschen, haben dagegen mit der Verhängung neuer Sanktionen gegen Teheran gedroht und sich gegen Präsident Barack Obama gestellt. Dieser hat angekündigt, gegen etwaige derartige Beschlüsse des Kongresses sein Veto einzulegen.

MÖGLICHE MILITÄRISCHE DIMENSION

Die USA und ihre westlichen Verbündeten fordern vom Iran die volle Zusammenarbeit mit der Internationalen Atombehörde IAEA, die Nachforschungen über Aktivitäten des Iran in der Vergangenheit anstellt, die auf eine mögliche militärische Dimension des Atomprogramms hinweisen könnten. Laut einem 2011 veröffentlichten IAEA-Bericht, der sich auch auf Geheimdienstinformationen stützt, könnten einige dieser Aktivitäten noch andauern. Der Iran will über diese Frage nicht diskutieren.

(APA/dpa/AFP/red.)

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