Jemen: Analyse von Phase 1 der Luftoffensive

F-16-Schwarm der Emirate
F-16-Schwarm der EmirateGeorg Mader
  • Drucken

Die kleine jemenitische Luftwaffe lag weitgehend inaktiv am Boden und wurde rasch zerschlagen. Noch sind Teile der Luftabwehr intakt, möglicherweise besitzen die Huthi-Rebellen noch viele weitreichende Boden-Boden-Raketen.

Die saudisch angeführte Militärintervention im Jemen gegen die drohende landesweite Machtergreifung der schiitischen Huthi-Milizen dauert nun fast eine Woche. Seit ihrem Beginn am 25. März hat sich die Aktion primär in einer auffallend mächtigen Luftoffensive erschöpft, die vor allem von Kampfflugzeugen der Saudis (nach verschiedenen Angaben mehr als 100), der Emirate (30), Kuwaits (15), Katars (10), Jordaniens und Marokkos (je 6) vorgetragen wurde und wird.

Am Montag sprach die saudische Luftwaffe von insgesamt schon mehr als 1200 Einsätzen, davon 500 an jedem der ersten zwei Tage. Priorität hatte die Niederringung der jemenitischen Luftwaffe, die großteils zu den Huthi übergelaufen war und in den Tagen vor der Intervention vereinzelt Luftangriffe gegen regierungstreue Truppen und gegnerische sunnitische Stammesmilizen geflogen hatte.

Saudischer Tornado-Jagdbomber
Saudischer Tornado-JagdbomberGeorg Mader

Laut aktuellsten Angaben von Flightglobal für 2014 waren in Jemens Luftwaffe an Düsenkampfflugzeugen (und von Hubschraubern abgesehen) elf Jagdbomber vom US-Typ Northrop F-5E "Tiger II", 19 russische Mikoyan MiG-21 "Fishbed"-Jäger und 29 ebenfalls russische Jagdbomber/Erdkampfflugzeuge Suchoi Su-22 "Fitter" noch mehr oder weniger flugfähig, allesamt angejahrte, aber in einer Bürgerkriegszone bzw. gegen gleichermaßen angejahrte Geräte noch nützliche Waffen.

"Der Zustand war miserabel"

Gefährlicher - vor allem in der Luft-Rolle - waren die 24 moderneren MiG-29 "Fulcrum"-Mehrzweckkampfjets. Aber von denen dürften alle oder der Großteil nach den überraschenden Schlägen aus der Luft, etwa durch saudische F-15 "Eagle" bzw. "Strike Eagle", bereits Geschichte sein. Zum Vergleich: Allein die saudische Luftwaffe hatte laut Flightglobal zuletzt etwa 215 aktive Kampfjets, die Arabischen Emirate etwa 100.

Jemenitische MiG-21
Jemenitische MiG-21Jane's Defence
Jemenitische Su-22
Jemenitische Su-22 "Fitter"Jane's Defence
Hangar mit jemenitischen MiG-29
Hangar mit jemenitischen MiG-29 "Fulcrum"Jane's Defence

Der österreichische Luftfahrtexperte Georg Mader, Korrespondent des internationalen Fachmagazins Jane's Defence, hält in einer Analyse, gestützt auf militärische Kreise aus der Region, fest, dass der Zustand der jemenitischen Luftwaffe in der Tat miserabel war: "Die meisten Flugzeuge waren seit 2013 aus Mangel an Ersatzteilen am Boden."

Ein ernsterer Gegner indes war/ist die bodengestützte Luftabwehr, die ebenfalls von der Luftwaffe betrieben wird und folglich gleichfalls mit Masse zu den Huthi überlief: Es sei offensichtlich gewesen, dass ein Großteil der Flugabwehr in den vergangenen Jahren von russischen und weißrussischen Technikern überholt und instandgehalten worden sei, daher seien die intensiven Luftangriffe auf Radar- und SAM-Stellungen keine Munitionsvergeudung gewesen. Tatsächlich wurden mehrere Abwehrraketen gestartet.

Rund die Hälfte der Luftabwehr zerstört

Die meisten Typen waren alte, ortsfeste russische Systeme SA-2 "Guideline" (oder in der Form S-75 "Dwina") und SA-3 "Goa") (S-125 "Pechora"). Das Gros der SAM-Flugabwehr war laut Experten in nur drei Brigaden gegliedert (dazu zwei Brigaden mit Flugabwehrkanonen).

SA-2 (S-75), hier der ägyptischen Streitkräfte (Archivbild), noch auf dem Transporter und vor Montage auf die Startrampe
SA-2 (S-75), hier der ägyptischen Streitkräfte (Archivbild), noch auf dem Transporter und vor Montage auf die Startrampedefenseimagery.mil

Jede SAM-Brigade betrieb drei bis vier Stützpunkte in Bataillonsgröße; eine Brigade schützte die südliche Hafenstadt Aden, die andere die nördliche Binnenstadt Sanaa, die Dislozierung der dritten SAM-Brigade ist unklar, wohl Taizz im Südwestjemen.

SA-3/S-125, Aufnahme aus Russland
SA-3/S-125, Aufnahme aus RusslandMiroslav Gyurosi; www.ausairpower.net

Das moderne und mobile, angeblich 2005 an den Jemen gelieferte russische Fla-System "Tunguska" (SA-19 "Grison") sei bisher nicht in Erscheinung getreten. Überhaupt habe man noch nie eine Bestätigung für diese Fla-Panzer mit Mischbewaffnung aus radargesteuerten Schnellfeuerkanonen und Raketen im Jemen gefunden.

Bis Montag seien 40 Prozent der Luftabwehr zerstört worden, hieß es, zu den angegriffenen Batterien zählten etwa jene im Raum Marib (dort ist in der Nähe auch ein Öl- und Gasfeld des US-Konzerns Haliburton), Mukalla, Mukalla-Airport, Mocha und Hodeidah.

Zerstörtes
Zerstörtes "Fan Song"-Zielverfolgungsradar einer SA-2/S-75-BatterieRadarJane's Defence

Weitere Erfolge sollen auch die Zerstörung einer größeren Zahl von Mittel- und Kurzstreckenraketen russischen, chinesischen und nordkoreanischen Typs im Norden des Jemen gewesen sein, die sich im Dienst der Huthi im Anrollen Richtung saudischer Grenze befunden hätten. In Agenturberichten war unter Berufung auf einen saudischen Offizier die Rede, der Jemen besäße allein rund 300 "Scud"-Raketen - aber das scheint auch unter Berücksichtigung der Vermutung, dass "Scud" medial zum Begriff für ballistische Boden-Boden-Raketen aller Art geworden ist und der Jemen in seinen Arsenalen auch Raketen wie die "Tochka" (SS-21 "Scarab") und die alte Frog-7-Kurzstreckenrakete hat, weit übertrieben zu sein.

Die ballistischen Raketenduelle von 1994

Allerdings: Im kurzen jemenitischen Bürgerkrieg von Mai bis Juli 1994 hatten Truppen des früheren Nordjemens etwa 35 Tochkas abgefeuert, die südliche Seite etwa 30 Scuds. Kurz nach dem Krieg strömten nordkoreanische Scud-Kopien in den Jemen, US-Geheimdienste vermuteten Mitte der 2000er rund 60 Scud-artige Raketen im Jemen.

Angeblich jemenitische
Angeblich jemenitische "Scud"-RaketeJane's Defence
Angeblich gefangener sudanesischer Pilot
Angeblich gefangener sudanesischer PilotSana'a TV

Dubios ist die angebliche Beteiligung des Sudan an der Anti-Huthi-Koalition: Angeblich hat das afrikanische Land vier Suchoi Su-24 "Fencer"-Bomber bereitgestellt, und in einem Fernsehbericht aus Sana'a führen Huthi einen Gefangenen vor, der ein sudanesischer Fencer-Pilot sein soll, dessen Jet man abgeschossen habe. Luftfahrtexperte Mader kommentiert die sudanesische Beteiligung etwas sarkastisch: "Ich frag mich, wie man eine Maschine wie die Fencer in eine Combined Air Operation nach US/Nato-Typus einbetten kann, wenn dort alle Systeme aufschreien und einen Feind melden." Einem Informanten zufolge sollen sudanesische Fencer allerdings tatsächlich auf die saudische Airbase King Khaled verlegt worden sein.
Die Fencers soll der Sudan 2013 heimlich in Weißrussland erworben haben.

Sicherlich sind die Koalitionsverluste bisher minimal: Eine saudische F-15 ging aus technischen Gründen verloren, sie fiel ins Meer, die Piloten wurden mit US-Hilfe gerettet. Die Huthi wollen zwei weitere F-15 abgeschossen haben, das ist nicht bestätigt.

Umgekehrt seien die Huthi nach oben hin jetzt sozusagen nackt, glaubt man dem saudischen Militär; Videos zufolge dürften jedenfalls alle MiG-29 - die besten Jets - bei Bombardierungen einer Basis bei Sanaa zerstört worden sein.

Saudische Collage: Luftaufnahme der Sana'a Airbase, überlagert mit (im Uhrzeigersinn von links oben): MiG-29 vor der Intervention in Sonnenschutzhangars, zwei Bilder von Zielkameras saudischer Kampfjets, zerstörter Hubschrauberhangar
Saudische Collage: Luftaufnahme der Sana'a Airbase, überlagert mit (im Uhrzeigersinn von links oben): MiG-29 vor der Intervention in Sonnenschutzhangars, zwei Bilder von Zielkameras saudischer Kampfjets, zerstörter HubschrauberhangarJane's Defence/Saudi Military

Allerdings wird auch dieser Konflikt ob kurz oder lang nicht in der Luft entschieden werden. Zu menschlichen Verlusten liegen derweil bisher keine gesicherten Zahlen vor. Die Rede ist zur Zeit von 100 bis 200; bei einem saudischen Luftangriff kamen am Montagnachmittag mindestens 40 Menschen ums Leben, vor allem Bewohner eines Flüchtlingslagers.

Das saudische Militär behauptet, man habe eine Gruppe von Huthi-Rebellen nahe des Camps bombardiert - offenkundig war dieser Verband bereits ganz dicht an dem Lagergelände, Berichten zufolge am Eingangstor und in unmittelbarer Nähe von Zivilisten. (wg)

Zerstörungen in Wohngebiet nahe des Flughafens Sana'a, vorne ein Huthi-Kämpfer
Zerstörungen in Wohngebiet nahe des Flughafens Sana'a, vorne ein Huthi-KämpferEPA

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

„Das Chaos im Jemen ist das Resultat von 30 Jahren Tyrannei“

Die schottisch-jemenitische Filmemacherin Sara Ishaq über enttäuschte Hoffnungen der Revolution von 2011 und den Alltag in dem vom Krieg zerrissenen Land.
YEMEN FOREIGNERS EVACUATION
Außenpolitik

Jemen: Houthi erobern Ölfelder in Atak

Trotz saudiarabischer Luftangriffe konnten die Rebellen Land gewinnen. Die humanitäre Situation im Jemen spitzt sich zu.
Houthi-Kämpfer außerhalb von Sanaa. Houthi-Kämpfer außerhalb von Sanaa.
Außenpolitik

Iran entsendet Kriegsschiffe vor die Küste Jemens

Zwei iranische Schiffe patrouillieren seit Mittwoch im Golf von Aden. Wegen der Spannungen mit Saudiarabien plant Irans Parlament eine Aussetzung der Pilgerfahrten nach Mekka.
Bait Rejal im Westen von Sanaa wurde ebenso beschossen.
Außenpolitik

Saudiarabische Kampfjets greifen weiter Ziele im Jemen an

Ein Camp sei beschossen worden. Houthis rücken bis an den Rand von Aden vor. Hilfsorganisationen schlagen Alarm: Die Lage im Jemen sei katastrophal.
Saudi-Arabien und seine Verbündeten fliegen seit rund zwei Wochen Luftangriffe im Jemen.
Außenpolitik

Jemen: Saudi-Arabien erlaubt Rot-Kreuz-Einsatz

Erste Hilfsgüter haben bereits die südjemenitische Stadt Aden erreicht. Helfer berichten von einer "Geisterstadt". Ob es auch eine vorübergehende Waffenruhe gibt, ist unklar.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.