Analyse: Irans Machtstrategie im Nahen Osten

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Die Islamische Republik weitet ihren Einfluss sukzessive aus. Im Libanon kontrollieren die Iraner die Hisbollah-Milizen, in Damaskus stützen sie das Assad-Regime, in Bagdad ziehen sie die Fäden und greifen sie auch in den Jemen aus. Die Sunniten sind alarmiert.

Kairo/Teheran. Der Iran polarisiert, nicht nur in der internationalen Diplomatie, auch in seiner regionalen Umgebung. In der sunnitisch-arabischen Welt wird die Islamische Republik als die größte Bedrohung angesehen und als permanenter Unruhestifter. Seit ihrer Gründung 1979 liefert sich ihr Mullah-Regime einen erbitterten Kalten Krieg mit den Arabern am Golf und in Ägypten.

Deren Staatsführungen fürchten nun, wenn nach einem Atomvertrag die weltweiten Sanktionen fallen, werden sie noch mehr Mühe haben, dem Machtwillen, den militärischen Kapazitäten und den gesellschaftlichen Ressourcen des 80-Millionen-Volkes zu begegnen.

Ähnlich angespannt ist auch das Verhältnis Irans zur Türkei, der zweiten nicht arabischen Regionalmacht. Der für den 7.April geplante Besuch von Recep Tayyip Erdoğan in Teheran wird schon im Vorfeld von gereizten Interviewduellen begleitet. Vergangene Woche hatte der türkische Präsident öffentlich gedroht: Iran unternehme jede Anstrengung, um die Region zu dominieren, und das dürfe nicht länger hingenommen werden.

Houthi-Delegation in Qom

In diesem Punkt sind sich die Türkei und das Königreich Saudiarabien einig, welches sich wegen der heiligen Stätten Mekka und Medina als Vormacht des sunnitischen Islam versteht. Der Iran dagegen betrachtet sich als Führer der schiitischen Welt und versucht, seinen Einfluss immer mehr auszudehnen. Schiitische Milizen und revolutionäre Garden mischen inzwischen auf allen Kriegsschauplätzen der Region mit. Mit der Offensive der Houthis hat die Islamische Republik nun erstmals auch ihren Fuß auf die Arabische Halbinsel gesetzt. Die Rebellen erhalten Unterstützung aus Teheran, das trotz permanenter Luftangriffe in der Nacht zu Dienstag ein Transportflugzeug mit Medikamenten und Lebensmitteln geschickt hat.

Eine hochrangige Delegation der schiitischen Jemeniten wurde vergangene Woche in der heiligen Stadt Qom gesehen, dem religiösen Zentrum des Iran. Dagegen bestreitet Teheran, Waffen zu liefern, wie es die arabischen Kriegsgegner behaupten. „Das sind Erfindungen und Lügen“, erklärte Marzieh Afkham, Sprecherin des Außenministeriums.

Die Assads als zentrale Verbündete

Drei Jahrzehnte lang konzentrierte sich der iranische Einfluss vor allem auf Libanon und Syrien. An der Grenze zu Israel stehen heute mehrere tausend Hisbollah-Kämpfer. Sie sind nach Schätzungen des Pentagon ausgerüstet mit mindestens 30.000 Raketen, darunter einige hundert mit einer Reichweite von bis zu 400 Kilometern, die aus dem Iran stammen. Im syrischen Bürgerkrieg bewahrten iranische Waffenlieferungen und Hisbollah-Einheiten Diktator Bashar al-Assad vor einem Zusammenbruch und konnten die Lage an vielen Fronten sogar zu seinen Gunsten wenden.

Der iranische General Qasem Soleimani, Chef der Al-Quds-Elitebrigaden, gilt als der wichtigste Militärplaner und Stratege auf Seiten von Damaskus. Denn Syrien ist für die Islamische Republik der zentrale Verbündete in der Region, seit Vater Hafez al-Assad im irakisch-iranischen Krieg von 1980 bis 1988 als einziger arabischer Potentat Teheran beigesprungen ist.

An vorderster Front gegen IS im Irak

Ähnlich signifikant ist auch der Einfluss auf die schiitische Mehrheitsregierung im Irak, die nach dem Sturz von Saddam Hussein an die Macht gekommen ist. Viele schiitische Politiker lebten im Iran oder dem verbündeten Syrien im Exil. Nach der Offensive der sunnitischen Extremisten vom Islamischen Staat gegen Mosul und Tikrit verhinderten in erster Linie schiitische Milizen und iranische Berater, dass die irakische Armee auch noch vor den Toren Bagdads kapitulierte.

Bei der jüngsten Gegenoffensive, mit der Tikrit, die Geburtsstadt des ehemaligen irakischen Diktators Saddam Hussein, zurückerobert werden soll, führt erneut der Syrien-erfahrene, iranische General Soleimani das Kommando.

In Riad schrillen die Alarmglocken

„Die Situation vor Tikrit ist ein Paradebeispiel dafür, was uns gegen den Strich geht“, polterte der saudische Außenminister Saud al-Faisal kürzlich in einer Pressekonferenz. „Der Iran ist dabei, den Irak zu übernehmen.“ In Teheran dagegen laben sich konservative Kreise um Revolutionsführer Ali Khamenei an der wachsenden arabischen Gereiztheit. „Drei arabische Hauptstädte haben wir bereits im Sack – Beirut, Damaskus und Bagdad“, brüstete sich der Abgeordnete Ali Reza Zakani. „Die nächste wird Sanaa sein.“ Die gemäßigte Führung unter Hassan Rohani dagegen bemüht sich, die regionalen Bedenken zu zerstreuen.

Sein Land strebe nach Frieden und Stabilität und wolle den Terrorismus ausrotten, versicherte der Präsident kürzlich in einer Fernsehansprache. „Aber das geht nur, wenn die Islamische Republik auch beteiligt wird.“

HINTERGRUND

Die jahrhundertealten Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten im Nahen Osten haben sich in den vergangenen Jahren beträchtlich verschärft. Vor allem Saudiarabien, das sich als Hüter des sunnitischen Islam sieht, verfolgt den Machtgewinn des Iran mit Argusaugen. Ihre Stellvertreterkriege nehmen immer offenere Züge an. In Syrien unterstützen die Saudis die Opposition, während Teheran dem Assad-Regime die Mauer macht. Im Jemen startet Riad nun eine Militärintervention, um die vom Iran forcierten Houthis zurückzudrängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2015)

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