Merkel und Hollande wollen enger zusammenrücken

(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
  • Drucken

Nach den Schicksalsschlägen der letzten Monate soll die deutsch-französische Zusammenarbeit wieder intensiviert werden. Auch in Fragen der Krisenpolitik werden gemeinsame Vorschläge erwartet.

Wien/Paris/Berlin. In schwerer Stunde rückt man zusammen. Was wie eine Floskel klingen mag, ist heute aktueller denn je – und wird in Europa an der deutsch-französischen Zusammenarbeit offenbar. Diese soll, geht es nach Angela Merkel und François Hollande, nach den gemeinsam durchlittenen Schicksalsschlägen der vergangenen Wochen und Monate auch auf EU-Ebene wieder intensiviert werden: Die Länder seien in Bewährungsproben wie dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Jänner in Paris und dem Absturz der Germanwings-Maschine vergangene Woche „enger zusammengerückt“, versicherte Merkel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Hollande diese Woche in Berlin. Der französische Präsident setzte nach: Aus der Freundschaft zweier großer Länder sei nunmehr „eher eine Brüderlichkeit geworden“. Deshalb sollen schwierige Fragen – vom geplanten EU-US-Freihandelsabkommen über die Immigration, die Energieunion und die Digitale Agenda – mehr als bisher untereinander abgestimmt werden.

Was aber steckt hinter dieser öffentlich beschworenen Zuneigung? Bisher wirkte die Beziehung der beiden Staatslenker ja eher unterkühlt. Frank Baasner, Direktor des deutsch-französischen Instituts in Ludwigsburg, will sich davon nicht irritieren lassen: Schließlich sei über Jahrzehnte zu beobachten gewesen, dass deutsche Kanzler und französische Präsidenten meist nur langsam Vertrauen zueinander aufbauten – das anfangs schwierige Verhältnis Merkels zu Hollandes Vorgänger, Nicolas Sarkozy, ist hierfür das beste Beispiel. „Die momentane Situation aber ist dramatischer als üblich – denkt man nur an die Ukraine-Krise oder die Debatte um Griechenland“, so Baasner. Dieser äußere Druck sei hilfreich, die Zusammenarbeit der beiden Länder zu verstärken – und auch emotionale Schockmomente würden eine Rolle für das persönliche Vertrauen spielen.

Freilich funktioniert die Koordinierung zwischen den beiden größten EU-Mitgliedern auf vielen Ebenen ohnehin sehr gut. So werden etwa die Gipfel der Staats- und Regierungschefs von Beamten aus Berlin und Paris gemeinsam vorbereitet. „Das schafft Grundvertrauen“, meint Baasner.

Die knifflige Frage – das Verhältnis der beiden Chefs – spiele dabei zwar stets eine Rolle. Doch anders, als dies bei Sarkozy der Fall war, teilt Merkel mit Hollande die grundsätzlich gleiche Auffassung von Regierungsstil: Beide sind ruhige, vorsichtig agierende Politiker und wollen keine Fehler machen. Der große Unterschied liegt in der Popularität: Während Merkel nach wie vor hohe Werte genießt, verliert Hollande eine Wahl nach der anderen.

Wie mutig sind die beiden?

Und selbst in der Krisenpolitik sind die CDU-Politikerin und der Sozialist nicht mehr so weit voneinander entfernt, wie das noch vor einiger Zeit den Anschein gehabt haben mag. So setzt sich einerseits in Berlin die Einsicht durch, dass in der Krise auch Gelder für Investitionen und Wachstum freigesetzt werden müssen. Andererseits ließ Hollande sich jüngst nicht dazu verleiten, der neuen griechischen Regierung bei ihren Forderungen nach einem Ende des Spardrucks zur Seite zu springen. Nun sollen deutsch-französische Vorschläge zur engeren Zusammenarbeit der Eurozone vorbereitet werden, so Baasner. „Die Frage ist: Wie mutig sind die beiden?“

Auf einen Blick

Deutschland und Frankreich wollen ihre Rolle als Motor der europäischen Entwicklung ausbauen. Durch den Anschlag auf die Zeitschrift „Charlie Hebdo“ im Jänner in Paris und den Germanwings-Absturz über Frankreich seien beide Länder in „Bewährungsproben enger zusammengerückt“, sagte Angela Merkel diese Woche bei einer Pressekonferenz mit François Hollande, der von einer „deutsch-französischen Brüderlichkeit“ sprach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.