Thailand: Die schrankenlose Macht der Junta

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Nach internationaler Kritik hat die thailändische Militärregierung das Kriegsrecht zwar aufgehoben – es aber durch einen Paragrafen ersetzt, der die Grundrechte weiter aushebelt.

Bangkok. Zehn Monate nach dem Staatsstreich, mit dem die Armee in Thailand die Macht übernommen hat, hat die Junta in Bangkok nun das Kriegsrecht aufgehoben, unter dem das Land seit dem Umsturz stand. An die Stelle des Kriegsrechts trat ein Gesetz in Kraft, mit dem sich die Junta faktisch uneingeschränkte Macht übertragen hat.

Junta-Chef und Premierminister, General Prayuth Chan-Ocha, kann nun sämtliche Entscheidungen der Regierung – der er selbst vorsteht –, der Judikative und der Legislative willkürlich aufheben und bindende Erlässe beschließen. Alle Handlungen der Junta werden durch das Gesetz automatisch legalisiert. Die Junta hat sich damit praktisch jeglicher Kontrolle entzogen.

Unter Artikel 44 der Übergangsverfassung, die die Junta kurz nach ihrer Machtübernahme erlassen hat, können Armeeoffiziere weiterhin Personen vorladen, Festnahmen durchführen und ohne richterlichen Beschluss Hausdurchsuchungen durchführen. Zivilisten können bis zu sieben Tage lang ohne Zugang zu anwaltlichem Beistand vom Militär festgehalten und vor Militärgerichte gestellt werden, falls sie im Verdacht stehen, die nationale Sicherheit gefährdet oder Anordnungen der Junta nicht Folge geleistet zu haben. Die Medien können weiterhin zensiert und Publikationen verhindert werden, falls ihre Berichterstattung die nationale Sicherheit gefährden könnten. Versammlungen von mehr als fünf Personen bleiben verboten.

Junta-Chef Prayuth verteidigte sein Vorgehen. Am Mittwoch erklärte er, er werde seine Machtbefugnisse „konstruktiv nutzen und anwenden“, um „tief sitzende gesellschaftliche Probleme“ zu lösen und etwa gegen die Einkommensungleichheit, illegale Abholzung und Menschenhandel vorzugehen. Zudem werde er die Sicherheitsstandards in der Luftfahrt anheben und Maßnahmen gegen „überteuerte Lotterietickets“ ergreifen. „Keine Sorge“, fügte er hinzu, „wer nichts Falsches tut, hat nichts zu befürchten.“ Innenminister General Anupong Paochinda erklärte, das Kriegsrecht sei wegen internationaler Kritik aufgehoben worden.

Die Kritiker in In- und Ausland zeigten sich dennoch kaum besänftigt. Selbst die Nationale Menschenrechtskommission in Bangkok, die mit Vertretern und Unterstützern des Junta-nahen traditionellen Establishments besetzt ist und die weder den Putsch noch die bisherige Aushebelung zahlreicher Grundrechte kritisiert hat, äußerte sich über die Entwicklungen besorgt. Artikel 44 gebe dem Junta-Chef „absolute Macht“, hieß es in einer Erklärung. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte in einer Erklärung davor, dass Thailand immer mehr in eine Diktatur abgleite. Die „Wiederherstellung demokratischer ziviler Herrschaft“ sei durch die Handlungen der Junta in weite Ferne gerückt, erklärte HRW-Asien-Direktor, Brad Adams. Er rief Thailands Verbündete dazu auf, Druck auf das Land auszuüben, um diesen „gefährlichen Kurs umzukehren“.

„Noch drakonischeres Gesetz“

Ein Vertreter des US-Außenministeriums erklärte, die USA wünschten sich ein Ende der Festnahmen und der Einschränkungen der Meinungsfreiheit. „Wir sind besorgt, dass ein Übergang zu einer Sicherheitsordnung unter Artikel 44 nichts dazu beiträgt, diese Ziele zu erreichen.“ Der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen Zeid Ra'ad al-Hussein zeigte sich über die Entwicklungen ebenfalls alarmiert. „Normalerweise würde ich die Aufhebung des Kriegsrechtes herzlich begrüßen – und ich habe mich in der Tat sehr dafür starkgemacht, dass es in Thailand aufgehoben wird.“ Das Kriegsrecht sei jedoch durch „etwas noch Drakonischeres“ ersetzt worden. „Das öffnet eindeutig die Tür für schwerwiegende Verletzungen fundamentaler Menschenrechte.“

Einige Beobachter weisen darauf hin, dass die Zusicherung von Junta-Chef Prayuth, er werde seine uneingeschränkte Macht behutsam einsetzen, kaum Grund zur Beruhigung gäbe. Prayuth hat in den vergangenen Monaten wiederholt öffentlich die Contenance verloren und sich zu impulsiven Reaktionen hinreißen lassen. Erst vor wenigen Tagen drohte er einem Journalisten, er werde ihn exekutieren lassen. Der Reporter hatte dem Junta-Chef kritische Fragen gestellt.

Auf einen Blick

In Thailand wurde das Kriegsrecht aufgehoben. König Bhumibol Adulyadej stimmte einem entsprechenden Antrag der Militärjunta zu. An Stelle des Kriegsrechts trat nun eine Reihe von Sicherheitsgesetzen, die dem Militär auf Grundlage der Interimsverfassung weiterhin eine große Machtfülle einräumen. Die UNO kritisierte die neuen Regelungen als „drakonische Maßnahmen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

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