Jubel und Skepsis nach Einigung im Atomstreit mit Iran

Chinese Ambassador to the United Nations Wu Hailong, French Foreign Minister Laurent Fabius, German Foreign Minister Frank Walter Steinmeier, European Union High Representative for Foreign Affairs and Security Policy Federica Mogherini, Iranian Foreign Minister Javad Zarifat, Russian Deputy Political Director Alexey Karpov, British Foreign Secretary Philip Hammond and U.S. Secretary of State John Kerry
Chinese Ambassador to the United Nations Wu Hailong, French Foreign Minister Laurent Fabius, German Foreign Minister Frank Walter Steinmeier, European Union High Representative for Foreign Affairs and Security Policy Federica Mogherini, Iranian Foreign Minister Javad Zarifat, Russian Deputy Political Director Alexey Karpov, British Foreign Secretary Philip Hammond and U.S. Secretary of State John Kerry(c) REUTERS (POOL)
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US-Präsident Barack Obama bezeichnete die Einigung mit dem Iran als "historischen Schritt". In Teheran gab es spontane Jubelfeiern. Aus Israel und dem US-Kongress kamen mahnende Worte.

Nach der Grundsatzeinigung im Atomstreit mit dem Iran wird über Tragweite und Auswirkungen diskutiert. Die UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran einigten sich am Donnerstag im schweizerischen Lausanne auf zentrale Eckpunkte zur Beilegung des seit zwölf Jahren schwelenden Konflikts. International fielen die ersten Reaktionen auf die Einigung gemischt aus.

Während sich die Einen optimistisch gaben, herrschte bei den anderen Skepsis vor: US-Präsident Barack Obama bezeichnete die Einigung als "historischen Schritt". In Teheran gab es spontane Jubelfeiern. Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) begrüßten die Einigung ebenso wie der britische Außenminister Philip Hammond, die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO/IAEA) und die Vereinten Nationen (UN/VN). Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Frankreichs Präsident Francois Hollande gaben sich eher zurückhaltend. Aus Israel und dem US-Kongress kamen mahnende Worte.

Exilopposition: Deal kann Atombombe nicht stoppen

Die iranische Exilopposition hält die Grundsatzvereinbarung über das iranische Atomprogramm für unzureichend, um Teheran vom Bau einer Atombombe abzubringen. "Eine Erklärung von Allgemeinheiten ohne Unterschrift und offizielle Billigung von (Ayatollah Ali) Khamenei wird niemals den Weg des Regimes zur Erlangung von Nuklearwaffen blockieren", sagte Oppositionsführerin Maryam Rajavi am Freitag.

Die Präsidentin des "Nationalen Widerstandsrates Iran" (NWRI) betonte, die weiteren Verhandlungen mit dem iranischen Regime würden die Welt nicht sicherer vor der Bedrohung durch Atomwaffen-Verbreitung machen. "Das Regime zu zwingen, sich an die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu halten, ist schlicht der einzige Weg, um die Mullahs vom Erwerb von Atomwaffen abzuhalten."

"Nachsichtigkeit und ungerechtfertigte Zugeständnisse" der fünf Vetomächte des UNO-Sicherheitsrates und Deutschlands würden "dem am wenigsten vertrauenswürdigen Regime der Welt von heute nur noch mehr Zeit einräumen und verschärfen weiter die Gefahren, die es für das iranische Volk, die Region und die Welt darstellt", kritisierte Rajavi.

Netanyahu beruft Sitzung ein

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu berief indes für den Freitag eine Sitzung seines Kabinetts und von Sicherheitsexperten einberufen. Dabei solle das Rahmenabkommen besprochen werden, berichteten israelische Medien. Netanyahu hatte das Abkommen in einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama scharf kritisiert.

"Eine Einigung auf Grundlage dieses Rahmenabkommens würde das Überleben Israels gefährden", sagte er. Die Einigung würde dem Iran den Weg zu nuklearen Waffen nicht verschließen - im Gegenteil. "Es würde ihnen den Weg ebnen", sagte Netanyahu.

FAKTEN

Kern des Konflikts: Der Westen wirft dem Iran vor, unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms Kernwaffen zu entwickeln, der Iran weist dies zurück.

Nach tagelangen Verhandlungen hatte sich die 5+1-Gruppe aus den fünf UN-Vetomächten und Deutschland im schweizerischen Lausanne mit dem Iran auf Eckpunkte eines Atom-Abkommens geeinigt. Demnach verpflichtete sich Teheran unter anderem, sein nukleares Anreicherungsprogramm um mehr als zwei Drittel zurückzufahren. Im Gegenzug werden die USA und die Europäische Union ihre Sanktionen gegen den Iran aufheben, wenn internationale Kontrolleure die Umsetzung der Vorgaben bestätigen. Für die Ausarbeitung des abschließenden Abkommens gilt nun noch eine Frist bis Ende Juni.

Derzeit verfügt der Iran trotz der internationalen Sanktionen über 19.000 Uran-Zentrifugen, von denen aber weitaus nicht alle laufen. 5060 von ihnen sollen offenbar weiter in Betrieb bleiben. Die bisherigen Lagerbestände an angereichertem Uran sollen entweder verdünnt werden, um eine Verwendung in Kernwaffen auszuschließen, oder außer Landes gebracht werden.

Bei den Republikanern im US-Kongress stieß der Deal ebenfalls auf erhebliche Skepsis. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, konstatierte am Donnerstag eine "alarmierende Abweichung" von den ursprünglichen Zielen von US-Präsident Barack Obama. Der Kongress werde das endgültige Abkommen vor einer Lockerung der Sanktionen gegen den Iran im Detail prüfen, kündigte er an.

Die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und der Iran hatten sich nach tagelangen Verhandlungen in der Schweiz darauf verständigt, dass der Iran seine Atomaktivitäten auf Jahre deutlich begrenzt. Im Gegenzug hebt der Westen verhängte Wirtschaftssanktionen auf. Ein bindendes Abkommen gibt es jedoch noch nicht, dieses soll mit allen Details bis Ende Juni erreicht werden.

Spontane Straßenfeste in Teheran

Obama feierte die Einigung als "historische Übereinkunft" gefeiert. "Es ist ein guter Deal. Ein Deal, der unsere Kernziele erfüllt", sagte Obama am Donnerstag in Washington.

In der iranischen Hauptstadt Teheran gab es nach der Einigung spontane Straßenfeste. Laut Augenzeugen feierten in der ganzen Stadt zehntausende Menschen, zumeist Jugendliche. Ungeachtet der strengen Sittenpolizei tanzten zahlreiche junge Männer und Frauen auf den Straßen.

Fischer begrüßte am Donnerstag in einer Aussendung "die substanziellen Fortschritte und die darauf beruhende gemeinsame Erklärung, die nach harten und schwierigen Verhandlungen zwischen dem Iran einerseits und den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates der UNO plus Deutschland andererseits erzielt wurden". Auch Kurz begrüßte in einer ersten Reaktion die Einigung. "Es handelt sich um einen ersten wichtigen Erfolg der internationalen Diplomatie. Nach zwölf Jahren schwieriger Verhandlungen konnte heute ein entscheidender Fortschritt erzielt werden."

"Gute Basis, sehr guter Deal"

Hammond würdigte das Atom-Abkommen als "gute Basis". Darauf aufbauend könne ein "sehr guter Deal" erreicht werden, sagte er. Das Erreichte sei deutlich über dem, was noch vor 18 Monaten möglich schien. Es sei aber noch ein hohes Maß an Feinarbeit zu leisten. Er nannte besonders die Sicherstellung der Überwachung der iranischen Nuklearaktivitäten als Knackpunkt.

Laut UN-Generalsekretär Ban Ki-moon biete die Einigung "substanzielle Grenzen für Irans Atomprogramm und die Entfernung aller Sanktionen". Das Abkommen berücksichtige die Bedürfnisse des Irans, stelle aber gleichzeitig sicher, dass seine nuklearen Aktivitäten friedlich blieben. Die Atomenergiebehörde begrüßte das Ergebnis von Lausanne ebenfalls. Nach einer Einigung auf ein endgültiges Abkommen und der Zustimmung des Gouverneursrates stehe die IAEA bereit, die Umsetzung der Vereinbarungen zu überwachen, erklärte Generaldirektor Yukiya Amano.

Das russische Außenministerium lobte in einer Erklärung unmittelbar nach der Einigung, dass alle Verhandlungsteilnehmer nun "ohne Vorbehalt" Teherans Recht "auf ein friedliches Nuklearprogramm" anerkannt hätten.

Steinmeier: Zu früh für Jubelstimmung

Steinmeier mahnte, für Jubelstimmung sei es noch zu früh. Doch es seien entscheidende Hindernisse für eine Einigung aus dem Weg geräumt worden. Vor allem der republikanisch geführt US-Kongress kann das bis Sommer angestrebte Abkommen jetzt noch blockieren. Nach seiner Osterpause wollte sich das US-Parlament mit dem Thema befassen.

Hollande betonte, dass Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Absprachen jederzeit wieder gegen Teheran verhängt werden können. "Sanktionen, die aufgehoben werden, können wieder verhängt werden, wenn das Abkommen nicht umgesetzt wird", erklärte er am Donnerstagabend in Paris.

In einem Telefongespräch mit Israels Premierminister Benjamin Netanyahu betonte Obama die Verpflichtungen der USA für die Sicherheit Israels. Trotz der erzielten Rahmenvereinbarungen bestünden die Sorgen über die Drohungen des Iran gegenüber Jerusalem weiter, sagte Obama. Washington stehe standfest zu seinen Sicherheitsverpflichtungen, fügte Obama nach Angaben des Weißen Hauses hinzu.

Israel bleibt skeptisch

Dagegen äußerte sich Netanyahu laut israelischer Presseberichte erneut skeptisch. Die Vereinbarung gefährdeten das Überleben Israels, sagte Netanyahu nach einem Bericht der "Times of Israel" in dem Gespräch. Erst vor wenigen Tagen habe sich der Iran erneut zur Vernichtung Israels bekannt. Die Vereinbarungen würden den Weg Irans zur Atombombe nicht blockieren, sondern ebnen, sagte Netanyahu den Angaben zufolge.

Die internationale Gemeinschaft will jeden technologischen Weg zu einer iranischen Atombombe versperren. Der Regierung in Teheran erhofft sich durch Sanktionsaufhebungen einen ökonomischen Aufschwung.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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