Die unendliche Geschichte des Atomstreits

Chronologie. Vor 13 Jahren hatten Regimegegner enthüllt, dass Teheran ein Nuklearprogramm betreibt.

Es war im Sommer 2002, als einer der zähesten und brisantesten Konflikte der vergangenen Jahrzehnte begann: Damals meldete eine iranische Oppositionsgruppe, das National Council of Resistance of Iran, dass der Iran heimlich ein großes Atomprogramm aufgebaut habe. Es umfasse vieles dessen, was man in Staaten wie den USA und Frankreich auch betreibe: vor allem Anlagen zur Anreicherung von spaltbarem Uran-235, einen Schwerwasserreaktor, in dem Plutonium anfallen würde, und so fort.

Zwar war der Iran nach damaligem Recht nicht verpflichtet, zivile Nuklearbauten früher als sechs Monate vor Inbetriebnahme der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) zu melden; es war aber spätestens seit 1992 Brauch gewesen, das früher anzukündigen. Und dass der Umfang auffällig groß erschien, es Verbindungen zum Militär bzw. den Revolutionsgarden gab, nährte den Verdacht, Teheran schaffe Grundlagen nicht nur für eine zivile Atomindustrie (Atomstrom, Erzeugung von Radioisotopen für Landwirtschaft und Medizin etc.), sondern auch für Atomwaffen.

Die Ironie war, dass der Iran in den 1960ern mit US-Hilfe so ein Programm begründet hatte. Der Schah plante, durch AKW weniger Öl verbrennen zu müssen, um mehr davon ausführen zu können. Nach der Revolution 1979 und dem Bruch mit den USA hatte niemand geglaubt, der Iran könne die noch bescheidenen Atomanlagen ausbauen, jedenfalls nicht unbemerkt. Das gelang mithilfe des Atomphysikers Abdul Kadir Khan, des „Vaters der pakistanischen Atombombe“.

2003 knickte der Iran zunächst ein und ließ IAEA-Inspektionen zu, begann aber bald zu mauern, forderte Wirtschaftshilfe für Verzicht auf Anreicherung und wies 2005 die IAEA-Beamten aus. Trotz heftigster Proteste der USA, Israels und anderer Mächte samt Kriegsdrohungen lief die Anreicherung an, worauf die IAEA 2006 den UN-Sicherheitsrat anrief. Der verhängte seither immer stärkere Sanktionen: etwa Vermögenseinfrierungen, das Verbot von Öl-, Rüstungs- und Devisengeschäften.

Der Iran blieb hart, wurde aber immer härter getroffen, die Ölexporte schmolzen so wie Devisenreserven und Geldwert, die Inflation zog an, das Volk murrte. Es gab Anschläge auf Atomphysiker und Techniker, Internetviren aus US-israelischer Quelle legten Teile der Industrie und Atomanlagen zeitweise lahm. Als die IAEA 2012 meldete, es gebe klare Indizien für iranische A-Waffen-Forschung, und die Sanktionen noch härter wurden, wurde Teheran weich; der Wechsel der Präsidentenschaft Mitte 2013 hin zu einer „Taube“ tat ein Übriges. Im November 2013 wurde in Genf ein Einfrieren des Programms vereinbart, dafür gab es Sanktionserleichterungen. Die Umsetzung verzögerte sich aber. Nun hat man sich auf die Eckpunkte eines Abkommens geeinigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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