Kenia: „Wir rannten um unser Leben“

KENYA GARISSA UNIVERSITY ATTACK
KENYA GARISSA UNIVERSITY ATTACK(c) APA/EPA/DANIEL IRUNGU (DANIEL IRUNGU)
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Augenzeugen berichten von dramatischen Szenen auf dem Universitätsgelände in Garissa. Der Anschlag der Terrorgruppe al-Shabaab hat das Land in Schockzustand versetzt.

Nairobi. Am Tag nach dem großen Morden befand sich Kenia im Schockzustand. Nach und nach meldeten sich die traumatisierten Augenzeugen zu Wort, die den Anschlag der Terrorgruppe al-Shabaab auf die Universität in Garissa, Ostkenia, miterlebt hatten. „Wir rannten um unser Leben“, schildert ein Student, der mit vielen anderen um fünf Uhr morgens von den Schüssen aus dem Bett gerissen wurde. Panik sei ausgebrochen. Und unglücklicherweise seien manche der Studenten genau in die Richtung gerannt, aus der die Schüsse kamen. Andere berichten, wie Türen zu ihren Zimmern aufgerissen wurden. „Sind hier Christen oder Muslime?“, wurden sie gefragt. Christen seien sofort erschossen worden, erzählten Studenten. Teilweise nur halb bekleidet seien sie aus den Gebäuden gestürmt.

147 Menschen – das war die Opferzahl, die die kenianischen Sicherheitskräfte nach dem mehr als zehnstündigen Geiseldrama bekannt gab. Vier Angreifer seien getötet worden, sagte Innenminister Joseph Ole Nkaissery. Ein weiterer habe flüchten können. Doch die Opferzahl könnte nach Berichten lokaler Medien noch höher sein. Ein Großteil der geborgenen Leichen wurde zur Identifizierung in die Hauptstadt Nairobi transportiert.

Dutzende Menschen mit Schussverletzungen wurden ins Krankenhaus in Garissa gebracht, das rasch an die Grenzen seiner Kapazität stieß. Ungefähr 300 Verletzte wurden per Lufttransport von der Militärbasis nach Nairobi überstellt. Die meisten wurden dort im Kenyatta-Krankenhaus behandelt.

Suche nach vermissten Angehörigen

Offenbar richtete sich der Anschlag gegen christliche Studenten und Lehrer, die rund 90 Prozent der Fakultät ausmachen. Doch vor den Leichenhallen in Nairobi seien auch muslimische Familien zu sehen gewesen, die getötete Verwandte betrauerten und für Bestattungen abholten, berichtet der Journalist Robert Agumba aus Nairobi.

Am Freitagnachmittag noch bildeten sich Schlangen vor der Registrierungsstelle für das Notquartier. Dieses befindet sich auf der Militärbasis in Garissa. Die Studenten bekommen dort Wasser und Essen. Verwandte suchen nach Vermissten. Viele der Studenten in der Stadt stammen aus anderen Regionen des Landes. Ihre Angehörigen wurden aufgefordert, Vermisste in Nairobi oder auf der Militärbasis ausfindig zu machen. Auf den Straßen von Garissa herrsche Angst und Panik, berichtet der Journalist Daud Yussuf. Noch sind zahlreiche Opfer nicht identifiziert. Medien wurde der Zutritt zum Universitätsgelände am Freitag weiter verwehrt. Fahrzeuge von Polizei und Politikern fuhren ein und aus. Es kursieren zahlreiche unbestätigte Gerüchte.

Doch anders als bei dem Terroranschlag auf das Einkaufszentrum Westgate im September 2013, bei dem 67 Menschen getötet wurden, sei die Koordination von Polizei, Spezialeinheiten und Militär gut verlaufen, hieß es.

Ein Student, der dem Massaker ohne körperliche Verletzungen entkommen ist, meinte unter Schock: „Ich bin hierhergekommen, um eine Ausbildung zu bekommen. Nicht Bomben und Kugeln.“

Inzwischen hat sich auch die Gewerkschaft der Lehrer zu Wort gemeldet. Generalsekretär Wilson Sossion verlangte, dass die Universität in Garissa geschlossen wird. Solange es regelmäßige Anschläge in der Region gebe und die Sicherheit für Kinder und Lehrer nicht gewährleistet werden könne, soll im Nordosten des Landes nicht mehr unterrichtet werden, so Sossion.

Die Universität in Garissa ist trotz Drohungen durch die Terrorgruppe von nur zwei Sicherheitsbeamten bewacht worden. Al-Shabaab hat mehrfach Anspruch auf den Nordosten Kenias erhoben, das ethnisch überwiegend somalisch ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2015)

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