Namensstreit: "Griechen wollen Zeit gewinnen"

(c) Stanislav Jenis
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Außenminister Poposki kritisiert, dass auch die neue Regierung in Athen Mazedoniens EU-Beitritt blockiert.

Die Presse: Wegen des Streits um den Namen Mazedonien blockiert Athen Mazedoniens Weg in die EU. Kann dieses Problem mit Griechenlands neuer Regierung leichter gelöst werden?

Nikola Poposki: Die griechische Regierung ist derzeit nicht in der Lage, auch nur einen Hauch von Energie für etwas anderes aufzuwenden als für die Lösung der Wirtschaftskrise. Sollte jemand darauf wetten, dass Athen sich demnächst der Lösung der Namensfrage widmen wird, wäre das eine sehr riskante Wette. Am wahrscheinlichsten ist, dass sie versuchen, Zeit zu gewinnen. Sie werden sicherstellen, dass es keinen effizienten Prozess für eine Lösung der Namensfrage gibt. Nach dem Motto: Fragt uns nicht, ob wir unsere Politik gegenüber Mazedonien ändern, denn wir haben andere Sorgen – und wir sind gebunden an die Politik, die bisherige Regierungen dazu gemacht haben.

Ihre Regierung hat in der Hauptstadt Skopje zahlreiche Monumente aufstellen lassen, etwa von Alexander dem Großen. Machen Sie es damit Griechenland nicht noch schwerer, den Namen Mazedonien zu akzeptieren?

Viele Jahre lang hatten wir keine Monumente, und Griechenland hat uns trotzdem blockiert. Keine Nation kann diese historischen Persönlichkeiten auf dem Balkan nur für sich beanspruchen. Es wäre mehr als paradox, wenn jemand eine solche Exklusivität wollte für eine Person, die vor 2300 Jahren gelebt hat. Das wäre Nonsens.

Spielen diese Statuen nicht Athens Argumentation in die Hände, wonach die Mazedonier den Griechen den Namen Makedonien rauben, die alten Helden – und vielleicht auch Territorium?

Vor der Unabhängigkeit der einstigen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien hat sich Athen um diesen Namen nicht gekümmert. Erst danach gab es eine Makedonisierungskampagne in Griechenland und eine massive Kampagne gegen Mazedonien. Die Strategie von damals ist gleich geblieben: Mazedoniens Zugang zu den euroatlantischen Strukturen soll verhindert werden, in der Hoffnung, dass das Land das nicht überlebt.

Thinktanks warnen, Mazedonien könnte den Weg der Türkei gehen und, weil das Land vom EU-Beitritt ausgeschlossen bleibt, an andere Optionen denken.

Das ist nicht vergleichbar: Die Türkei hat eine große diversifizierte Wirtschaft, die nicht allein vom europäischen Markt abhängig ist. Es könnte für sie also eine Alternative geben. Für Mazedonien gibt es keine Alternative. 90 Prozent unser Wirtschaftsbeziehungen sind zu EU-Mitgliedern, Kandidatenländern oder potenziellen Kandidatenländern. Es gibt in Mazedonien keine ernst zu nehmende politische Kraft, die etwas anderes will als den Beitritt zu EU und Nato. Die euroatlantische Integration ist die stärkste Klammer für Mazedonien.

Ist Russland eine Alternative?

Das ist eine Illusion. Viele weisen aber zu Recht auf wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung hin. Noch sind 85 Prozent der Mazedonier für den Beitritt zu EU und Nato. Aber aus Sicht des durchschnittlichen Mazedoniers besitzt dieser Prozess kaum noch Glaubwürdigkeit. Was immer wir leisten: Athen kann unseren Beitritt einfach blockieren. Jeden Tag wächst die Zahl der enttäuschten Bürger, die nicht mehr glauben, dass Europa hinter den Werten steht, die es vertritt: wie Rechtsstaatlichkeit, Fairness, den Respekt für die Identität jeder einzelnen Nation.

Mazedoniens Premier wirft Oppositionschef Zaev die Planung eines Putschs vor. Die Opposition beschuldigt die Regierung, Journalisten und 20.000 Bürger bespitzelt zu haben.

Oppositionschef Zaev will den Leuten einreden, dass der Premier hinter den illegalen Abhöraktionen steckt. Aber das Eigenartige dabei ist: Zaev hat nur Aufnahmen veröffentlicht, die abgehörte Gespräche von Regierungsmitgliedern wiedergeben. Er hat gegen das Gesetz verstoßen: Denn wenn jemand illegal aufgenommenes Abhörmaterial besitzt, wäre die erste Tür, an die er klopfen muss, die des Staatsanwaltes. Es kann keine andere Antwort auf die Affäre geben als die, die vor Gericht gefunden wird.

Aber es gibt auch eine politische Dimension: In den veröffentlichten Gesprächen zwischen Regierungsmitgliedern soll es um Bespitzelung und Betrug gehen.

Das ist eine Sache der Gerichte. Es müssen die Authentizität dieser Aufnahmen und dann der Inhalt geprüft werden. Danach sollte alles, was sanktioniert werden muss, sanktioniert werden. Alles andere würde nur bedeuten, den Fall für politische PR zu benutzen. Die Regierung ist bereit, die Betroffenen für jegliches Fehlverhalten, das sich aus den aufgezeichneten Gespräche ergeben könnte, zur Verantwortung zu ziehen. Das Büro des Staatsanwaltes hat bei der EU-Kommission angefragt, Experten zu schicken, die das Verfahren beobachten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

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