Ukraine: Warum die Kämpfe im Donbass wieder aufflammen

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UKRAINE CRISIS(c) APA/EPA/ALEXANDER ERMOCHENKO (ALEXANDER ERMOCHENKO)
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Vor internationalen Konferenzen sitzt der Finger stets besonders locker am Abzug. Auch diesmal starben sechs ukrainische Soldaten am Vorabend des G7-Gipfels. Steht eine neue Runde im Krieg um die Ostukraine bevor?

Donezk/Kiew/Wien. „Instabil“: Mit diesem Wort beschrieb gestern der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Andrej Lyssenko, die Lage im Donbass. In den vergangenen 24Stunden waren sechs ukrainische Soldaten getötet und zwölf Mann verwundet worden. In den letzten Tagen sind die Kämpfe zwischen Armee und Russland-treuen Separatisten wieder aufgeflammt. Ausgerechnet, wo doch in Berlin die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine am Montag zur Krise getagt haben, und das Thema heute auf dem G7-Außenministergipfel in Lübeck weiter auf der Agenda stehen wird.

Eskaliert die Lage im Donbass vielleicht gerade deswegen? Es wäre nicht das erste Mal, dass vor internationalen Konfliktlösungskonferenzen der Finger besonders locker am Abzug sitzt. Zuletzt war es leiser geworden um den bewaffneten Konflikt in der Ostukraine. Die beiden Kriegsparteien warfen sich gegenseitig Eskalation vor.

Genau ein Jahr ist es her, dass der damalige ukrainische Übergangspräsident, Alexander Turtschinow, die sogenannte Antiterroroperation eingeleitet hat. Am 14.April 2014 rollten Panzer in den Donbass, um die von prorussischen Aktivisten besetzten Verwaltungsgebäude in mehreren Städten zurückzuerobern. Anders als angekündigt wurde es keine schnelle Operation. Es herrscht Krieg im Donbass, ein Krieg von niedriger Intensität zwar, doch auch er fordert Blutzoll. 6100Menschen sind in den vergangenen zwölf Monaten gestorben, mehr als 15.400 wurden verwundet.

Die prorussischen Kämpfer, anfänglich gerade einmal mit Kalaschnikows bewaffnet, sind durch vielseitige russische Unterstützung zu einem stehenden Heer von geschätzten 60.000 Mann geworden. Sie kontrollieren noch immer weite Teile des Donbass. Lediglich im Norden konnte die Armee einige Städte zurückerobern: Slawjansk, Kramatorsk, Konstantinowka.

Bevor die ukrainische Armee im Sommer zum Sturm auf Donezk ansetzen konnte, wurde sie durch eine unerwartete Offensive im Süden des Donbass zurückgedrängt. Die Operation war maßgeblich von Angehörigen der regulären russischen Streitkräfte durchgeführt worden. Die Versuche zur friedlichen Beilegung des Konflikts sind bisher in den Kinderschuhen stecken geblieben.

Ein zweimal geschlossenes Abkommen zur Einhaltung der Feuerpause – Minsk I im September 2014 und Minsk II im Februar 2015– erwies sich als brüchig. An neuralgischen Punkten wie dem Gebiet rund um den früheren Flughafen von Donezk und das Dorf Schirokino vor den Toren Mariupols wurde der Waffenstillstand auch bisher missachtet. In den vergangenen Tagen sollen laut den Informationen von Sprecher Lyssenko von Seiten der Separatisten auch 120-Millimeter-Mörser und 122-Millimeter-Kanonen eingesetzt worden sein – Verstöße gegen das Minsker Abkommen, das den Abzug derartiger Waffen von der Frontlinie vorsieht.

Handelsgespräche mit Moskau

Gespräche zwischen Diplomaten der Ukraine und Russland sollen auch in einem anderen Streitthema Entspannung bringen. Kommende Woche wird über das Handelsabkommen zwischen der EU und Ukraine, das mit 1.Jänner 2016 in Kraft tritt, beraten. Das Freihandelsabkommen ist Teil des EU-Assoziierungsabkommens, das Kiew mit Brüssel unterzeichnet hat. Russland hat Bedenken angemeldet, und droht mit Zöllen auf ukrainische Importe. Noch einen Krieg mit Moskau – einen Handelskrieg – kann Kiew nicht gebrauchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)

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