Finnland: Rechtspopulistische „Wahre Finnen“ auf dem Vormarsch

Stubb comments on the investigation of the suspected case of information leakage in Helsinki
Stubb comments on the investigation of the suspected case of information leakage in Helsinki(c) REUTERS (LEHTIKUVA)
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Als Favorit gilt die liberale Zentrumspartei des Ex-Unternehmers Sipilä. Er könnte erstmals auch die rechtspopulistischen und EU-feindlichen Wahren Finnen in die Regierung holen.

Stockholm/Helsinki. Die Zeiten, in denen Finnland als Musterschüler der EU galt, sind vorbei. Das Land im hohen Norden steckt in einer tiefen Krise. Die Erfolgsgeschichte von Nokia ist längst vorüber, die Handysparte des einstigen Weltkonzerns an Microsoft verkauft und der Rest vielleicht bald mit Lucent fusioniert. Auch die Papierindustrie liegt darnieder – ein Tribut an die Digitalisierung. Zu schaffen machen den Finnen zudem die Russland-Sanktionen.

Dementsprechend düster sind die Aussichten für Premier Alexander Stubb vor der Parlamentswahl am Sonntag. Der Chef der Nationalen Sammlungspartei kündigte zwar umfassende Struktur- und Sparreformen an, konnte die Wählerschaft aber laut Umfragen nicht davon überzeugen, dass er das Zeug dazu hat, Finnland aus der Krise zu führen. Stubbs Große Koalition, in die auch die Sozialdemokraten und zeitweise gar die Linkspartei und die Grünen eingegangen sind, gilt als handlungsschwach.

Stubb übernahm den Posten des Regierungschefs erst im Sommer von dem zum EU-Kommissar abberufenen Jyrki Katainen. Derzeit liegt Stubbs bürgerliche Partei in den Umfragen mit 16 Prozent rund zehn Prozentpunkte hinter der sozialliberalen Zentrumspartei. Deren Spitzenkandidat, der wohlhabende Ex-Unternehmer Juha Sipilä, ist klarer Favorit, vor allem, weil er Handlungskraft symbolisiert und nicht aus der Politik kommt. Sipilä hat seine Unternehmen verkauft, um sich uneigennützig dem Wohl Finnlands zu widmen, so die im Volk weitverbreitete Meinung.

Die Programme der Mitte-Parteien unterscheiden sich kaum. Da sowohl die Sammlungspartei als auch das Zentrum und die Sozialdemokraten meist nur um die 20Prozent der Stimmen erhalten, ist man Kooperation und Kompromiss gewöhnt. Zwei dieser drei Parteien sind stets in der Regierung. Das schleift Ecken ab. „Wahrscheinlich wird Sipilä vom Zentrum, wenn er nun gewinnt, eine Koalition mit den Sozialdemokraten und den fremdenfeindlichen Wahren Finnen anstreben“, sagt Kimmo Grönlund, Politikprofessor an der Universität Åbo zur „Presse“.

Grundsätzlich werde eine solche Regierung etwas EU-skeptischer sein und mehr Kredite als die derzeitige Regierung aufnehmen, um die Wirtschaft zu stimulieren, so Grönlund. Auch sei der soziale Akzent etwas deutlicher. „Wir wollen dort einsparen, wo es nicht die am schlechtesten Gestellten trifft“, sagte etwa der sozialdemokratische Spitzenkandidat Antti Rinne. Zudem fordern sowohl die Sozialdemokraten als auch die rechtspopulistische Partei Wahre Finnen, die in Umfragen je auf 16 Prozent kommen, eine restriktivere Einwanderungspolitik. Obwohl Finnland im europäischen Vergleich sehr wenige Einwanderer hat, war das eines der Wahlkampfthemen. „Unser Land braucht Einwanderer eigentlich. Die finnische Gesellschaft, in der es lange Zeit gar keine verjüngende Einwanderung gegeben hat, veraltet zunehmend“, kritisiert Grönlund.

Neben einer solchen Koalition gibt es laut Grönlund auch noch eine zweite Alternative. Sollte das Zentrum selbst nicht genügend Stimmen erhalten, könnte es eine bürgerliche Koalition anstreben, in der sowohl die Sammlungspartei als auch die bürgerliche Volkspartei der schwedischen Minderheit und die kleinen christdemokratischen Parteien teilnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)

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