Der Antrag für den Text der Gedenkstunde im Bundestag enthält das Wort "Völkermod" nicht. Die Türkei wird aber aufgerufen, die Fakten anzuerkennen.
Die deutsche Regierungs-Koalition will die Massaker an den Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich scharf verurteilten; den Begriff "Völkermord" verwendet sie aber mit Rücksicht auf das Verhältnis zur Türkei trotz Kritik der Abgeordneten aus den eigenen Reihen nicht.
In dem der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Berlin vorliegenden Antrag für die Gedenkstunde im Bundestag am 24. April heißt es: "Die Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich während des Erstens Weltkriegs war die größte und folgenreichste Katastrophe in der mehrtausendjährigen Geschichte des armenischen Volkes." Ankara wird aufgefordert, die Fakten nicht weiter zu bestreiten.
Druck aus dem Auswärtigen Amt
Wie die Zeitung "Tagesspiegel" Anfang April berichtete, war ursprünglich auch im Antrag von SPD und Union das Wort "Völkermord" in der Überschrift enthalten, sei aber auf Druck der Fraktionsspitzen und des Auswärtigen Amtes gestrichen worden. Teile der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD setzen nun darauf, dass die Einstufung als Völkermord doch noch in den Antrag aufgenommen wird. Möglich wäre dies am ehesten, wenn die deutsche Regierung selbst von Völkermord spräche. Oder aber, dass der Antrag nach der ersten Beratung am 24. April noch in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments vor der Verabschiedung entsprechend geändert wird. Die Parlamentsfraktionen greifen die außenpolitische Linie der Regierung in der Regel nicht an.
Systematische Vertreibung und Vernichtung
Ende des 19. Jahrhunderts lebten im Osmanischen Reich als dem Vorläuferstaat der Türkei etwa 2,3 Millionen Armenier. Die osmanische Regierung sah in der christlichen Minderheit innere Feinde und begann 1915, als im Ersten Weltkrieg gegen die christlichen Russen gekämpft wurde, mit der systematischen Vertreibung und Vernichtung der Armenier.
Nach unterschiedlichen Schätzungen kamen zwischen 300.000 und 1,5 Millionen Menschen ums Leben. 1987 stufte das Europaparlament die Tragödie als "Völkermord" ein. So sieht es auch ein Großteil der Historiker und mehr als ein Dutzend Staaten, darunter Frankreich, die Schweiz und die Niederlande, nicht aber etwa Deutschland und Österreich.
Auch Österreich plant deutliche Stellungnahme
Auch das österreichische Parlament will erstmals klare Wort zum Völkermord finden: SPÖ und ÖVP kündigten eine gemeinsame Erklärung nächste Woche im Nationalrats-Plenum an, in welcher der Genozid verurteilt werden soll. Ein Text dafür war zunächst nicht bekannt. Österreich-Ungarn und das Deutsche Kaiserreich waren zu Zeiten des Völkermords im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet. In Berlin und Wien wusste man über die Massaker und Vertreibungen Bescheid, ohne dagegen einzuschreiten.
(APA/dpa)