Horrorregime von Pekings Gnaden

CAMBODIA KHMER ROUGE VICTIM
CAMBODIA KHMER ROUGE VICTIM(c) APA/EPA/MAK REMISSA
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Zum 40. Jahrestag des Siegs der Roten Khmer in Kambodscha drückt sich die chinesische Führung um die Mitverantwortung.

Peking. Zum 70. Jahrestag des Ende des Zweiten Weltkriegs im September wird die chinesische Führung derzeit nicht müde, von Japan eine Aufarbeitung seiner Kriegsverbrechen einzufordern. Doch wenn es um die eigene Beteiligung an Verbrechen geht, hält sich die chinesische Führung auffallend zurück. Als vor 40 Jahren die Roten Khmer in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh einzogen und eine Schreckensherrschaft einläuteten – mit drei Millionen Toten – geschah dies unter Mithilfe und Mitwisserschaft Pekings.

Innerhalb von zwei Tagen zwangen die Roten Khmer unter der Führung von Pol Pot sämtliche Einwohner der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt, ihre Häuser zu verlassen und verschleppten sie zur Feldarbeit aufs Land. Politische Gegner wurden erschlagen oder erschossen, ebenso Lehrer, Studenten, Professoren und andere Intellektuelle. Zehntausende verhungerten, weil die Lebensmittelversorgung zusammenbrach. Die Schreckensherrschaft dauerte drei Jahre und kostete zwischen 1,7 und 2,2 Millionen Menschen das Leben.

Maos Verbündete

„China war mit Abstand die wichtigste Quelle für Hilfe aus dem Ausland“, sagt Andrew Mertha. Der Leiter des Asien-Pazifik-Programms an der Cornell-Universität hat über Chinas Unterstützung der Roten Khmer ein Buch geschrieben. Mao Tsetung wollte damals einen Verbündeten, um vor allem dem wachsenden Einfluss der Sowjetunion auf Vietnam etwas entgegenzusetzen. Truppen haben die Chinesen zwar nicht geschickt, allerdings unterstützte die chinesische Führung das brutale Regime sowohl mit Lebensmitteln als auch mit technischer Hilfe und sogar Waffen, so Mertha. „Ohne Chinas Hilfe hätte das Regime der Roten Khmer keine Woche überlebt.“

Erst als 1977 Chinas Reformer Deng Xiaoping an die Macht kam und zumindest in Ansätzen mitbekam, wie brutal die Roten Khmer in Kambodscha wüteten, rief die chinesische Führung das Regime zur Mäßigung auf. Pol Pot habe nur lächelnd genickt, seine Verbrechen gingen indes weiter. Chinas Führung habe nichts dagegen unternommen, resümiert Mertha. Und auch nach dem Sturz der Roten Khmer durch vietnamesische Invasionstruppen habe China die Roten Khmer weiter unterstützt.

Von einer Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der chinesischen Außenpolitik ist heute in China wenig zu sehen. „Ich erinnere mich nicht, dass ich als Schüler irgendetwas über Chinas Unterstützung von Pol Pot und dem Genozid erfahren habe“, sagt der Historiker Liang Jiewen. Und nicht einmal in den sozialen Foren im chinesischen Internet – sonst Plattform so ziemlich aller Themen – ist zum 40. Jahrestag der Machtergreifung des Terrorregimes etwas zu finden.

Weißer Fleck Außenpolitik

Qiao Mu, Kommunikationsforscher an der Peking-Universität für Internationale Studien, hält das auch nicht für wünschenswert. Aufarbeitungen über ein so großes Verbrechen müssten in der Schule vermittelt werden. Informationen übers Internet hingegen seien oft einseitig, häufig auch falsch dargestellt, unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen. Solange China nicht offiziell seine Rolle in Kambodscha thematisiert, würden Informationen übers Internet von vielen bloß als antichinesische Kampagne des Westens betrachtet werden. „Der geschichtlichen Aufarbeitung ist damit nicht geholfen“, sagt Qiao Mu.

Während die chinesische Führung derzeit also andere Länder auffordert, sich ihrer Geschichte zu stellen, bleibt Chinas eigene Außenpolitik gerade in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre für die meisten Chinesen ein weißer Fleck. Auch über Chinas Krieg gegen Vietnam ab 1978 wissen viele nur wenig. Sicherlich werde mit zweierlei Maß gemessen, stellt Qiao Mu fest. Das findet er aber auch nicht verwunderlich. Seitdem der kommunistische Gedanke immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert, setze die KP-Führung verstärkt auf Nationalismus. Eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Außenpolitik passt da nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2015)

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