Schicksalswoche für Griechenland

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Ende dieser Woche läuft die Frist für eine Einigung zwischen Athen und seinen Gläubigern ab - der griechischen Regierung dürfte bald das Geld ausgehen. Von erhofften Milliarden aus Moskau will der Kreml jedoch nichts wissen.

Athen. Diese Woche könnte das Schicksal des Pleite-gefährdeten Griechenlands bestimmen: Das Treffen der EU-Finanzminister in Riga am kommenden Freitag ist für viele Beteiligte der logische Endpunkt der Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern – also der letztmögliche Termin für eine Einigung. Einerseits läuft die von der Euro-Gruppe gesetzte Übergangsfrist für die detaillierte Ausarbeitung der am 20. und 23. Februar vereinbarten Reformmaßnahmen ab, andererseits dürfte der griechischen Regierung irgendwann in den kommenden Wochen das Geld ausgehen.

Nun, eine Einigung zeichnet sich immer noch nicht ab, und damit auch nicht die Auszahlung der Kredittranche von 7,2 Milliarden Euro. Das Land hat seit 2010 keinen Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten, auch die griechischen Banken können dem Staat auf Anweisung der EZB keinen Kredit mehr gewähren. Der nächste Schritt wäre damit der Zahlungsausfall.

Um dies zu vermeiden, setzt die Regierung des Linkspopulisten Alexis Tispras offenbar auf russische Hilfe: Verteidigungsminister Pavlos Kammenos war zuletzt als einziger EU-Minister bei einer russischen Sicherheitskonferenz anwesend und diskutierte unter anderem über eine russische Beteiligung an der staatlichen griechischen Rüstungsindustrie. Und nun verdichten sich die Meldungen von einer angeblichen Einigung Griechenlands mit Russland über eine Vorauszahlung Moskaus auf Einnahmen aus der Erdgaspipeline Turkish Stream.

„Es handelt sich um ein Projekt, bei dem russisches Erdgas über das Schwarze Meer in die Türkei geschafft und im Anschluss daran in den EU-Staat Griechenland verfrachtet werden soll“, hieß es aus Athen. Über Medien ließ die Regierung wissen, dass Griechenland schon bald mit einer Voraus-Milliarden-Zahlung rechnen kann.

Russland dementierte gestern allerdings diese Berichte. Es gebe keine solche Vereinbarung zwischen beiden Ländern, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Russland hat keine finanziellen Hilfen zugesagt, weil niemand darum gebeten hat.

Medien hatten zuvor berichtet, dass Athen und Moskau bereits am Dienstag ein Energieabkommen unterzeichnen würden, das Athen kurzfristig bis zu fünf Milliarden Euro einbringen könnte. Das Geld solle als Vorauszahlung für die neue Pipeline Turkish Stream fließen, die russisches Gas über die Türkei und Griechenland nach Europa bringen soll, hieß es unter Berufung auf einen Beamten der Regierungspartei Syriza. Die drei bis fünf Milliarden Euro sollen Spiegel Online zufolge eine Vorauszahlung auf zukünftige Gewinne sein, die Griechenland durch die Transitgebühren einnehmen könne. Tatsache ist, dass das Energieprojekt noch in den Sternen steht, russische Gelder wären also eine Art Blanko-Scheck auf eine höchst unsichere Kooperation. Ganz zu schweigen davon, dass offensichtlich die Rechnung ohne den Wirt, das heißt in diesem Fall: die Türkei, gemacht wurde.

Rufe nach Volksabstimmung

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte als Reaktion auf die Berichte gesagt, er würde es begrüßen, wenn Griechenland über ein Energiegeschäft mit Russland frisches Geld bekommen würde. Die Finanzprobleme würde dies aber nicht lösen.

Zur Erinnerung: Griechenland hat die Einhaltung der finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern garantiert, hat das Prinzip eines ausgeglichenen und leicht positiven Staatshaushaltes akzeptiert und fordert – zumindest vorerst – keinen Schuldenschnitt, liegt also nach eigener Auffassung im grünen Bereich. Die Verhandlungspartner aber sind anderer Meinung. Auch Tsipras räumte inzwischen ein, dass es in vier Punkten keine Einigung gibt: In Fragen der Elastizität des Arbeitsmarktes, bei der Sanierung der Sozialversicherung inklusive Pensionen, bei einer etwaigen Erhöhung der Mehrwertsteuer und bei den Privatisierungen. Leicht schnippisch fügte er angesichts der EU-Vorwürfe hinzu, das griechische Verhandlungsteam sei dilettantisch, dass es sich dabei nicht um technische, sondern um politische Probleme handelt. Es ist daher sicherlich kein Zufall, dass in den letzten Tagen aus Regierungskreisen wieder der Ruf nach einer Volksabstimmung über das Verhandlungsergebnis lauter geworden ist. In diesem Fall könnte Tsipras die Entscheidung über unpopuläre Maßnahmen an die griechischen Stimmbürger weiterreichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2015)

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