Parlamentswahl beschert Finnland einen Machtwechsel

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Amtierender Regierungschef, Alexander Stubb, gratulierte dem Vorsitzenden der oppositionellen Zentrumspartei Juha Sipilä zum Wahlsieg.

Stockholm/Helsinki. Der Multimillionär und Ex-IT-Unternehmer Juha Sipilä hat mit seiner oppositionellen Zentrumspartei die Parlamentswahl in Finnland am Sonntag klar gewonnen. Das erste Teilergebnis, das auf rund einem Drittel der abgegebenen Stimmen beruhte, sah die wertkonservative Partei des 53-Jährigen mit mehr als 23 Prozent der Stimmen deutlich in Führung.

Das vermutlich koalitionsentscheidende Rennen um Platz zwei blieb zunächst völlig offen. Sowohl die konservative Sammlungspartei des bisherigen rechtsliberalen Ministerpräsidenten Alexander Stubb als auch die Sozialdemokraten lagen demnach bei fast 18 Prozent - nur knapp gefolgt von der rechspopulistischen Partei „Die Finnen“. Die Teilergebnisse entsprachen den Trends der letzten Umfragen vor der Wahl.

In der Parteizentrale der Zentrumspartei brach Jubel aus, als die ersten Resultate bekannt wurden. Parteichef Sipilä erklärte, er sei „sehr zufrieden“. Bisher hat er sich nicht zu seinen bevorzugten Koalitionspartnern geäußert, aber versprochen, eine funktionsfähige Regierung zu bilden.
Er hatte sich auch offen gezeigt, die Rechtspopulisten in die Regierung einzubinden. „Die Finnen“ macht sich gegen Einwanderung stark, mit dem Protest gegen EU-Hilfen an Südeuropa gelangt der Partei vor vier Jahren ein spektakulärer Stimmenzuwachs von 4,1 auf 19,1 Prozent.

Hauptthema Wirtschaftskrise

Von ihrem neuen Premier erwarten die Finnen nun, dass er das Land aus der schweren Wirtschaftskrise führt. Das hatte er im Wahlkampf versprochen. Überhaupt war die ökonomische Situation das Hauptthema dieser Wahl. Die Parteiprogramme unterschieden sich nicht gravierend. Im Grunde sind sich alle Parteien, bis auf die Linkspartei, darin einig, dass kräftig gespart werden muss. Wo genau, blieb wohl auch aus wahlstrategischen Gründen unklar. Doch Stubbs Vierparteienkoalition, die zu Beginn mit der Linkspartei und den Grünen gar sechs Parteien umfasste, galt den Wählern als nicht handlungsfähig genug.

Sipilä, der 1996 seine IT-Unternehmen verkaufte, um in der Politik mitzumischen, trauen viele Finnen mehr zu – auch, weil er kein Berufspolitiker ist. Der Multimillionär habe sich uneigennützig in die Politik begeben, um Finnland aus dem Tief zu führen, so die Meinung vieler Wähler. 200.000 neue Arbeitsplätze, vor allem im aufstrebenden Bioenergiesektor, versprach er. Zudem will er rund zwei Milliarden Euro einsparen.

Der einstige EU-Musterschüler Finnland verliert seit der Krise von Nokia und dem Niedergang der zentralen Papierindustrie durch die Digitalisierung sowie auch durch Absatzeinbrüche in der Metallindustrie und beim Maschinenbau massiv an Wirtschaftsleistung. Für 2015 wurde die Wachstumsprognose von einem auf 0,5 Prozent hinunterkorrigiert.

Problem Russland-Sanktionen

In Finnland fehlen neue erfolgreiche Wirtschaftssektoren. Die in den Zeiten des vergangenen Aufschwungs stark angestiegenen Löhne gelten als zu hoch. Arbeitskräfte kosten heute 20 Prozent mehr als noch 2008. Die Arbeitslosigkeit liegt bei zehn Prozent. Auch die Russland-Sanktionen machen dem Land zu schaffen: Russland ist nach Deutschland und Schweden Finnlands wichtigster Handelspartner.

Ein wichtiges Thema außerdem: die Einwanderung. Neben den Rechtspopulisten kündigten auch die Sozialdemokraten an, die ohnehin schon relativ geringe Einwanderung weiter verringern zu wollen. „Das ist problematisch, wir brauchen die demografische Verjüngung dringend“, sagt Kimmo Grönlund, Politikprofessor der Universität Abo, der „Presse“. In keinem Industrieland außer Japan altert die Gesellschaft so sehr wie in Finnland.

Weiteres Wahlkampfthema war ein möglicher Beitritt des Landes zum Nato-Verteidigungsbündnis. Seit der Ukraine-Krise ist das Lager der Befürworter deutlich angestiegen. Doch rund 57 Prozent der Finnen sind noch immer gegen eine Nato-Mitgliedschaft des neutralen EU-Landes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2015)

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