Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat fordert stattdessen eine Ausdehnung der Rettungsprogramme und akut eine EU-Seerettungsmission.
Nach dem jüngsten Flüchtlingsdrama mit Hunderten Toten im Mittelmeer wird vonseiten österreichischer Politiker einmal mehr der Ruf nach UNHCR-Flüchtlingslagern in Nordafrika laut, wo eine Vorauswahl von Asylberechtigten stattfinden soll. Für das UNHCR selbst ist dies jedoch "für den Moment unrealistisch", sagt Sprecherin Ruth Schöffl. Stattdessen brauche es ein Ausdehnung der Rettungsprogramme.
In Libyen, von wo aus der überwiegende Großteil der Flüchtlinge aufbricht, sei es gegenwärtig aufgrund des dort herrschenden Bürgerkriegs zwischen verfeindenden Milizen "völlig illusorisch, ein menschenwürdiges Asylprogramm aufzubauen", erklärte Schöffl am Montag im Gespräch mit der APA. Auch sei es aus UNHCR-Sicht "absolut ausgeschlossen, Menschen in geschlossenen Lagern aufzunehmen" was aber gegenwärtig der einzig realistische Weg wäre, sie von einer Flucht nach Europa abzuhalten: "Migranten einfach von Europa fernzuhalten, indem man sie irgendwo einsperrt, ist für uns nicht akzeptabel."
Auch der Ansatz von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), im Mittelmeer aufgegriffene Flüchtlinge nach ihrer Rettung wieder nach Nordafrika zurückzubringen, weist Schöffl entschieden zurück. Da sie aus Libyen flüchten würden, könnte man sie auch nur dorthin zurückbringen und das sei angesichts der politisch instabilen Lage "unmenschlich". Viele der Geretteten seien verletzt und diese müsste man dorthin bringen, wo sie am besten betreut werden könnten. "Und das ist ganz klar Europa."
Asylzentren "noch nicht einmal Zukunftsmusik"
Langfristig sei das UNHCR (UNO-Flüchtlingshochkommissariat) natürlich bereit, über "alles zu reden, was die Leben der Asylsuchenden retten kann", gegenwärtig seien "Asylzentren in Nordafrika", aber "noch nicht einmal Zukunftsmusik". Dafür müsste man zuerst einmal mit den betroffenen Ländern reden und selbst dann seien diese Zentren "nicht von heute auf morgen fertig", sagt Schöffl. Schon in Österreich würde die Errichtung eines neuen Aufnahmezentrums ein bis zwei Jahre dauern, in Libyen, wo es aktuell kein funktionierendes Asylsystem geben, noch viel länger.
Kurzfristig ist daher eine EU-Seerettungsmission aus UNHCR-Sicht der wichtigste Lösungsansatz. Eine von Italien finanziertes Programm mit dem Namen "Mare Nostrum", lief vergangenes Jahr aus, weil sich die EU-Partner nicht an der Finanzierung beteiligen wollten. Seitdem läuft unter Führung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die deutlich kleinere Mission "Triton", die aber vorwiegend der Sicherung der EU-Außengrenzen und nicht der Rettung der Flüchtlinge dient.
Das vor allem vom deutschen Innenminister Thomas de Maiziere immer wieder vorgebrachte Argument, eine umfassende Rettungsmission würde Schleppern in die Hände spielen und die Flüchtlingszahlen noch weiter ansteigen lassen, kann Ruth Schöffl nichts abgewinnen: "Das hören wir immer wieder, aber lässt man deshalb die Leute ertrinken?"
Zudem sei die Zahl der Asylsuchenden zu Zeiten von "Mare Nostrum" deutlich unter der Aktuellen gelegen. "Das spielen ganz andere Faktoren eine Rolle, etwa wie stark die Konflikte rundherum ausgeprägt sind. Wenn ich das Gefühl habe, mein Leben ist ohnehin nicht mehr viel wert, dann probiere ich es einfach, auch wenn ich weiß, dass die Überfahrt lebensgefährlich sein kann."
Zusätzlich fordert das UNHCR "mehr Resettlementplätze direkt um die Konfliktgebiete", etwa aus den Flüchtlingslagern im Libanon. Denn auch der Weg durch Afrika sei "wahnsinnig gefährlich", sagt Schöffl.
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