Nahost-Experte: „Syrien-Krieg ändert Karte in Nahost radikal“

An injured man walks amid debris as residents reacts at a site hit by what activists said were barrel bombs dropped by forces of Syria´s President Bashar al-Assad, at al-Thawra neighborhood in Idlib city
An injured man walks amid debris as residents reacts at a site hit by what activists said were barrel bombs dropped by forces of Syria´s President Bashar al-Assad, at al-Thawra neighborhood in Idlib city(c) REUTERS (AMMAR ABDULLAH)
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Nahost-Experte, Jonathan Spyer, Direktor des Rubin Center in Herzliya, nennt die Akteure des Bürgerkriegs.

Wien. Im Patt um den Bürgerkrieg in Syrien sei kein Ende absehbar, die Fronten seien seit drei Jahren bezogen, und die Chance für eine Intervention des Westens sei auch längst passé. Nur eines ist für den Nahost-Experten Jonathan Spyer, Direktor des Rubin Center in Herzliya, gewiss: „Am Ende des Kriegs wird sich die Landkarte in Nahost radikal verändert haben.“

Das Assad-Regime konzentriere sich auf sein Rückgrat, das Kerngebiet um die Städte im Südwesten. Es fehle an eigener militärischer Stärke, doch die Schützenhilfe des Iran und der Hisbollah halte die Diktatur Assads am Leben, analysierte Spyer, der auf Einladung von Mena, der Medienbeobachtungsstelle Naher Osten, in Wien ein Bild vom Status quo im Bürgerkriegsland zeichnete. „Assad ist abhängig vom Ausland.“

Die Entwicklung spiele dem Regime in Teheran und seinen Ambitionen einer regionalen Hegemonie in die Hände. Zwar übersteige das vielfältige Engagement vom Libanon bis zum Jemen momentan die Kapazitäten des Iran, doch der Atomdeal mit dem Westen könnte mit einem Schlag 50 Milliarden Dollar aus den eingefrorenen Ölkonten loseisen. Das Ziel, die moderaten Kräfte in Teheran zu stärken, könnte sich ins Gegenteil verkehren, merkte Spyer an.

„Exil-Opposition ist Fiktion“

Besonderes Augenmerk hat Spyer auf die sunnitisch-islamistische al-Nusra-Front. Der Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida sei dabei, andere Rebellengruppen zu schlucken und genieße zudem Unterstützung aus der Türkei und Katar. Die Kurden seien ein „Staat im Staat“, doch weder die Nachbarn noch der Westen hätten Interesse an einem nominellen Kurdenstaat. Die Exil-Opposition spiele dagegen so gut wie keine Rolle: „Sie ist eine Fiktion.“

Ganz anders verhält es sich mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS). „Die US-Luftschläge im Sommer haben einen Genozid an den Jesiden verhindert“, sagt Spyer dezidiert. Seit den Rückschlägen im Irak und im Kurdengebiet in Nordsyrien orientiere sich der IS verstärkt nach Damaskus, die Invasion des Flüchtlingslagers Jarmuk sei ein Indikator dafür.

„In Syrien und im Irak ist der Staat kollabiert“, resümiert Spyer. Stattdessen träten Spannungen und Widersprüche dieser „künstlichen, vom Westen geschaffenen Gebilde“ vehement zutage – in einem „Beben von historischer Dimension“. (vier)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2015)

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