Flüchtlingsdrama: Schwere Vorwürfe gegen den Kapitän

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Ein syrisches Besatzungsmitglied belastet den 27-Jährigen schwer. Der Kapitän dementierte, dass er zum Zeitpunkt der Kollision unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand.

Nach dem bisher schwersten Flüchtlingsunglück im Mittelmeer werden die Vorwürfe gegen den Kapitän des mit 850 Menschen gekenterten Schiffes immer schwerer. Belastet wird der 27-jährige Tunesier nicht nur von den Überlebenden des Schiffbruchs, sondern auch vom syrischen Besatzungsmitglied, das mit ihm seit Freitag in der Strafanstalt der sizilianischen Stadt Catania sitzt.

Der 25-jährige Syrer erklärte sich vor den in Catania ermittelnden Staatsanwälten unschuldig. "Der Kapitän war am Steuer, als unser Boot mit dem portugiesischen Handelsschiff kollidierte", betonte der Syrer. Er bestritt somit Aussagen des Kapitäns, wonach nicht dieser, sondern er das heillos überfüllte Flüchtlingsboot gesteuert hatte. "Ich bin ein Passagier und kein Besatzungsmitglied. Ich habe wie alle anderen gezahlt, um nach Italien zu gelangen", betonte der Syrer.

Drei Kollisionen mit Handelsschiff

Der Kapitän berichtete, dass es zu drei Kollisionen mit dem Handelsschiff "King Jacob" kam, bevor das Boot mit 850 Flüchtlingen an Bord umkippte. Er dementierte, dass er zum Zeitpunkt der Kollision unter Alkohol- und Drogeneinfluss stand, wie einige Überlebende berichtet hatten. Die beiden Festgenommenen müssen am Freitag zu einer ersten Anhörung vor Gericht erscheinen.

"Meine Mandaten sind überrascht, dass sie der Schlepperei beschuldigt werden. Sie hatten mit der Festnahme nicht gerechnet", sagte der Verteidiger der beiden Festgenommenen, Massimo Ferrante. Er habe keine Informationen, dass der Kapitän bei der Seefahrt Haschisch geraucht habe, wie Augenzeugen berichtet hatten.

Dem Kapitän werden bereits vielfache fahrlässige Tötung, Verursachen eines Schiffsuntergangs, Freiheitsberaubung und Beihilfe zur illegalen Einwanderung vorgeworfen. Erschwerend komme zu dem Vorwurf der Freiheitsberaubung hinzu, dass auch Minderjährige davon betroffen gewesen seien, erklärte die Staatsanwaltschaft von Catania. Sie erweiterte ihre Vorwürfe um diesen Punkt, nachdem Zeugen berichtet hatten, dass Menschen im Laderaum des völlig überladenen Schiffes eingeschlossen gewesen seien.

Vor Abfahrt schwer misshandelt

Vor der Abfahrt seien die Flüchtlinge schwer misshandelt worden, sagte der Staatsanwalt von Catania, Giovanni Salvi, nach einer langen Befragung der Zeugen. "Wenn wir nicht an Bord gestiegen wären, hätten uns die Schlepper getötet. Viele von uns hatten noch nie das Meer gesehen und hatten Angst, aufs Boot zu steigen. Sie schlugen uns mit Stöcken, um uns ins Boot zu drängen", berichtete ein Überlebender. Er erzählte, dass das Flüchtlingsboot am Samstag von einem Hafen nahe Tripolis abgefahren war. Die Migranten wurden einen Monat lang in einem Bauernhof gefangen gehalten, bevor sie abfahren durften. Bis zu 1500 Dollar (1396,26 Euro) pro Person mussten sie für die Reise nach Italien zahlen.

Das rund 20 Meter lange Schiff war am Sonntag nach dem Zusammenstoß mit einem portugiesischen Frachter, der auf ein Notrufsignal reagiert hatte, gesunken. Nur 28 Menschen konnten gerettet werden, darunter die beiden Festgenommenen.

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