Erdogan gedenkt "aller osmanischer Armenier mit Respekt"

Recep Tayyip Erdogan ließ sein Beileid ausrichten.
Recep Tayyip Erdogan ließ sein Beileid ausrichten.(c) APA/EPA/ROBERT GHEMENT
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Der türkische Präsident veröffentlichte eine Botschaft. Zur Gedenkfeier in Armenien erschienen etwa Wladimir Putin und Francois Hollande.

Mit einer Schweigeminute hat am Freitag nahe der armenischen Hauptstadt Eriwan die Zeremonie zur Erinnerung an die Massaker durch Truppen des Osmanischen Reichs vor 100 Jahren begonnen. Der armenische Präsident Serzh Sarksyan legte am Mahnmal für die Opfer der Gräuel Blumen nieder. Im Laufe des Tages werden dort Hunderttausende Armenier erwartet.

Aus der Türkei meldete sich auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Wort. Er hat den Nachfahren der Opfer der Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren sein Beileid ausgesprochen. "An diesem Tag, der für unsere armenischen Bürger eine besondere Bedeutung hat, gedenke ich aller osmanischen Armenier mit Respekt, die unter den Bedingungen des Ersten Weltkrieges ihr Leben verloren haben", erklärte Erdogan.

"Ich spreche ihren Kindern und Enkeln mein Beileid aus." Der Staatspräsident sprach im Zusammenhang mit den Massakern von "traurigen Ereignissen", so das Staatsoberhaupt am Freitag.

Erdogan gedenkt aller Osmanischer Bürger

Die Türkei lehnt es strikt ab, die Gräueltaten trotz klarer dahin gehender historischer Evidenz einen Genozid zu nennen. Erdogans Erklärung wurde anlässlich eines Gedenkgottesdienstes im armenischen Patriarchat in Istanbul veröffentlicht. "Ich möchte noch einmal zum Ausdruck bringen, dass ich Euren Schmerz aufrichtig teile", hieß es in der Mitteilung weiter. "Ich möchte auch, dass Ihr wisst, dass die Tore unserer Herzen den Enkeln der Osmanischen Armenier auf der ganzen Welt weit offen stehen."

Erdogan machte deutlich, dass sein Beileid nicht nur Armeniern gelte. "Mit Erbarmen und Respekt gedenke ich aller Osmanischen Bürger gleich welcher ethnischen und religiösen Identität, die während dieses Krieges unter ähnlichen Bedingungen ihr Leben verloren haben."

Hoher Besuch in Eriwan

An der offiziellen Zeremonie zum Auftakt nahmen auch der französische Präsident Francois Hollande und der russische Staatschef Wladimir Putin so wie Dutzende weitere Politiker aus dem Ausland teil. Einzeln gingen sie durch das Spalier einer Ehrenwache zu einer ewigen Flamme und legten Blumen nieder. Bundespräsident Heinz Fischer, der eingeladen war, lässt sich "aus Termingründen" von einem Botschafter vertreten.

Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Hannes Weninger, der ebenfalls an dem zentralen Gedenken in Eriwan von österreichischer Seite teilnahm, erklärte in einer Aussendung "Österreich verneigt sich vor den Opfern des Völkermordes am armenischen Volk. Wir gedenken jener rund 1,5 Millionen Armenier, die in den Jahren 1915 und 1916 einem der ersten Genozide des 20. Jahrhunderts zum Opfer fielen".

Demnach bekannte sich Weninger gegenüber den armenischen Gastgebern zur historischen Verantwortung für den Völkermord. Die österreich-ungarische Monarchie war im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischen Reich verbündet, wusste von dem Völkermord, schritt aber nicht dagegen ein. "Es ist die Pflicht der heutigen Türkei, sich der ehrlichen Aufarbeitung dunkler und schmerzhafter Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit zu stellen und die im Osmanischen Reich begangenen Verbrechen an den Armeniern als Genozid anzuerkennen", verwies Weninger auf die am Mittwoch vom Nationalrat verabschiedete "Erklärung anlässlich des 100. Jahrestages des Genozids an den Armeniern im Osmanischen Reich". "Sich an etwas zu erinnern und Schuld einzugestehen, gehört zu den Voraussetzungen einer Aussöhnung."

Die Debatte um den Völkermord

Nach armenischer Darstellung starben ab dem 24. April 1915 bis zum Jahr 1917 auf dem Gebiet der heutigen Türkei bis zu 1,5 Millionen Armenier. Die Türkei spricht von wesentlich geringeren Opferzahlen und weigert sich, die Massaker als Völkermord anzuerkennen, weshalb sie immer wieder Länder, die die Ereignisse als Völkermord bezeichnen, kritisieren. Österreich wurden etwa zuletzt Sanktionen gedroht, während türkische Medien scharf gegen den deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck schießen.

Offensichtlich um im eigenen Land die Aufmerksamkeit abzulenken, hat Ankara das Gedenken an die legendäre Schlacht um die Halbinsel Gallipoli vor 100 Jahren im Ersten Weltkrieg um einen Tag vorverlegt - und erinnert daran nun ebenfalls am Freitag.

(APA/AFP/dpa)

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