MH17: Haben deutsche Behörden Lufthansa nicht gewarnt?

Ein Bild vom 16. April 2015: Ein Anhänger transportier Wrackteile des über der Ostukraine abgeschossenen Passagierjets der Malaysia Airlines ab.
Ein Bild vom 16. April 2015: Ein Anhänger transportier Wrackteile des über der Ostukraine abgeschossenen Passagierjets der Malaysia Airlines ab.(c) APA/EPA/ALEXANDER ERMOCHENKO
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Drei Lufthansa-Jets flogen am Tag der MH17-Katastrophe über die Ostukraine, obwohl sich laut Medien die Risikoeinschätzung bereits drastisch geändert hatte.

Wie groß war die Gefahr für Passagierflieger im Sommer letzen Jahres, das Konfliktgebiet in der Ostukraine zu überfliegen? Groß - das ist nach dem Absturz von Flug MH17 der Malaysia Airlines klar geworden. Doch gab es Warnsignale? Das deutsche Auswärtige Amt hat nun den Vorwurf zurückgewiesen, vor dem Abschuss der Boeing über der Ostukraine trotz klarer Gefahrenhinweise deutsche Fluggesellschaften nicht gewarnt zu haben. Das Außenministerium widersprach damit am Montag entsprechenden Berichten von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung".

Das Schicksal der Passagiermaschine mit der Flugnummer MH17 am 17. Juli des vergangenen Jahres hatte international für Entsetzen gesorgt und ein neues Schlaglicht auf die Heftigkeit der Kämpfe in der Ostukraine geworfen: Bei dem Abschuss kamen 298 Menschen ums Leben. Getroffen wurde der Flieger mutmaßlich von einer Boden-Luft-Rakete. Ein Abschlussbericht der Untersuchungskommission liegt noch nicht vor.

Drei Lufthansa-Maschinen in der Region

Am Tag der Katastrophe flogen den Medien zufolge auch drei Maschinen der Lufthansa über das Gebiet, eine davon nur 20 Minuten vor MH17. Wenige Tage zuvor hätten Diplomaten des Auswärtigen Amts die Lage in der Ostukraine in einem geheimen "Drahtbericht" bereits als "besorgniserregend" bezeichnet. Als Grund für diese Einschätzung nannten sie demnach den Abschuss einer ukrainischen Antonow-Militärmaschine in Höhe von mehr als 6000 Metern am 14. Juli. Dieser stelle "eine neue Qualität" dar, zitierte die "Süddeutsche Zeitung" aus dem Papier. Dabei kamen zwei Menschen ums Leben.

Der Abschuss eines Flugzeuges in dieser Höhe sei für Militärexperten ein klarer Hinweis, dass auch Ziele in größeren Höhen getroffen werden können, also auch eine Gefahr für zivile Passagiermaschinen bestehe, heißt es in der "Süddeutschen Zeitung" weiter. Dass die Luftsicherheit über der Ukraine nicht mehr gegeben sei, habe auch der Bundesnachrichtendienst in seinen täglichen Berichten mitgeteilt.

Ein Außenamtssprecher sagte, er könne die in dem Bericht zitierte interne Kommunikation "nicht zuordnen". Die Einstufung als Drahtbericht scheine ihm aber "total falsch" zu sein.

"Neue Qualität der Eskalation"

Mit dem Abschuss der Antonow-Militärmaschine sei jedoch der Kampf "erstmals massiv auf den ukrainischen Luftraum ausgedehnt" worden, fügte der Sprecher hinzu. "Das war in der Tat eine ganz neue Qualität der militärischen Eskalation." Allerdings hätten die zuständigen ukrainischen Behörden daraufhin entschieden, den Luftraum des Landes bis rund 9750 Metern Höhe für zivile Überflüge zu sperren. Und diese Entscheidung sei auf den üblichen Kanälen verbreitet worden.

Üblicherweise müssten die Fluglinien umgehend über eine veränderte Sicherheitslage informiert werden, heißt es in dem Medienbericht. Dies sei jedoch erst nach dem Abschuss der MH17 geschehen. "Fakt ist, dass uns keine Informationen vonseiten der Behörden vor dem 17. Juli vorlagen", zitierte der Rechercheverbund von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR einen Sprecher der Lufthansa. "Wenn die Bundesregierung unser Unternehmen mit der Bewertung neue Qualität gewarnt hätte, wäre Lufthansa sicher nicht mehr über der Ostukraine geflogen", erklärte demnach ein Insider der Fluggesellschaft.

Die ukrainische Regierung und der Westen gehen davon aus, dass die Maschine von prorussischen Separatisten mit einer russischen Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde. Moskau sieht die Verantwortung hingegen bei Kiew. Passagiermaschinen fliegen normalerweise in einer Flughöhe von gut 10.000 Metern.

(APA/AFP)

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