Deutsche spionierten für die NSA Franzosen aus

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Der BND soll für die NSA französische Politiker sowie die EU-Kommission ausgehorcht haben. Der Druck auf die Bundesregierung, die der Lüge bezichtigt wird, wächst.

„Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“ Was die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel noch über das mutmaßliche Ausspionieren ihres Handys durch den US-amerikanischen Geheimdienst NSA konstatierte, könnte ihr nun selbst zum Vorwurf gemacht werden. Deutsche Medien wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichten, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) offenbar über Jahre hinweg der NSA geholfen hat, hochrangige französische Politiker sowie die EU-Kommission auszuhorchen.

Derzeit wird das Ausmaß der Spionage ermittelt, fest steht bisher nur, dass der BND-Skandal mit jedem Tag wächst.Erst am Mittwoch titelte die nicht für ihre diplomatische Ausdrucksweise bekannte „Bild“-Zeitung: „Herr de Maizière, Sie lügen wie gedruckt!“ Denn auf eine parlamentarische Anfrage der Linken ließ der Innenminister (CDU) noch vor zwei Wochen verlautbaren, dass „keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA“ oder andere Nachrichtendienste vorlägen.

Genau das scheint eben nicht zu stimmen: Dem Portal „Spiegel Online“ zufolge wurde das Kanzleramt mehrmals in den vergangenen Jahren – spätestens ab 2008 – darüber informiert, dass das Interesse der NSA offenbar auch europäischen Firmen und anderen Bereichen gelte; entdeckt wurden diese Versuche bereits 2005. Das Kanzleramt nahm diese geheime Meldung zur Kenntnis, wie kürzlich bestätigt wurde. Besonders pikant: de Maizière war ab 2005 vier Jahre lang Chef des Bundeskanzleramts und somit auch für den BND zuständig. Seine „Falschaussage“ wiegt besonders schwer, auch wenn zwischenzeitlich bekräftigt wurde, dass sich die NSA mehr für politische Spionage denn für Wirtschaftsspionage interessierte.

Informationen über EADS abgesaugt

Für den SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der sich „entsetzt über das Ausmaß der Desorganisation“ gezeigt hat, scheinen Teile des BND ein Eigenleben entwickelt zu haben. Konsequenzen für die Spitze des Geheimdienstes wurden sowohl von Opposition als auch von Vertretern der Regierungsparteien gefordert, allerdings sollen zuvor die Details geklärt werden. Denn: Viel ist derzeit nicht bekannt. Offenbar hat die NSA nicht nur die vertraglich vereinbarten Parameter (z. B. Telefonnummern, IP-Adressen) in die Abhörstation nach Bad Aibling in Bayern geschickt, damit der BND die Daten durchforsten konnte. Es wurden auch die Parameter sowie das Spionagefeld ausgeweitet. Demnach sollen Informationen über die Airbus-Firmen EADS (Luftfahrt, Rüstung) und Eurocopter ausgesaugt worden sein.

Die Datenmenge ist riesig: Allein im Jahr 2013 soll die NSA 7,8 Millionen IP-Suchbegriffe dem BND übermittelt haben.
Zwischenzeitlich wurde auch der NSA-Untersuchungsausschuss, der seit einem Jahr die NSA-Affäre aufarbeitet, über die neuesten Erkenntnisse unterrichtet. BND-Chef Gerhard Schindler wurde vergangene Woche von ebendieser Sitzung ausgeschlossen.

Nun wächst der Druck auf die Union und Kanzlerin Merkel. Auf Besuch in Warschau weilend, versprach sie Aufklärung. „Wir haben in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass es Defizite gibt. Jetzt geht es darum, die Dinge vollständig aufzuklären.“ Die Kanzlerin weiß um die Hypersensibilität der Themen Datenschutz und Spionage. Scharf Richtung Kanzleramt schießt derzeit auch Koalitionspartner SPD. Laut deren Generalsekretärin, Yasmin Fahimi, hat das Amt bei der BND-Kontrolle „kläglich versagt“. Gefordert wird nun, dass die Parameterliste, mit der NSA und BND arbeiten, dem Ausschuss offengelegt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2015)

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