Laut deutschen Medienberichten horchte der US-Abhördienst NSA von Bayern aus auch österreichische Stellen ab. Es wird geprüft.
Wien/Berlin. Nach deutschen Medienberichten, wonach der US-Abhördienst NSA (National Security Agency) von seiner Abhörstation im bayerischen Bad Aibling aus auch österreichische Behörden auszuspionieren versucht habe, hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihre Experten angewiesen, sich mit deutschen Stellen in Verbindung zu setzen, um die Dinge zu klären. Auch das Außenministerium teilte mit, Aufgabe der Sicherheitsbehörden sei es nun, die Medienberichte zu überprüfen.
Laut dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und der „Bild“-Zeitung“ stießen Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) bei der Durchsicht einer NSA-Suchdatei auf rund 12.000 Selektoren mit Kürzeln wie „diplo“, „Bundesamt“ und „gov“. Es handle sich dabei um Bestandteile von E-Mail-Adressen, wie sie Diplomaten, Behörden und Regierungsstellen in Deutschland und auch anderen europäischen Ländern verwendeten. Laut den „Bild“-Recherchen habe sich der Suchbegriff „Bundesamt“ gezielt auf Österreich bezogen.
NSA-Suchdatei wurde gelöscht
In Wien wurde am Freitag darüber gerätselt, ob die NSA dabei etwa gezielt das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ins Visier genommen habe. Sicherheitsexperten halten das insofern für kurios, als es zwischen dem BVT und US-Diensten ja ohnedies eine enge Zusammenarbeit bei der Abwehr des internationalen Terrorismus gebe.
Dem „Spiegel“ zufolge hat ein BND-Mitarbeiter seinem verantwortlichen Vorgesetzten am 14.August 2013 von seinem Fund der NSA-Suchdatei berichtet und schriftlich gefragt: „Was soll ich damit machen?“ Die Antwort sei gewesen: „Löschen.“ Das sei dann auch geschehen.
Seit Tagen bringt der neue Wirbel um die in den Augen der Kritiker völlig unzulässige Zusammenarbeit des BND mit der NSA die deutsche Bundesregierung gegenüber europäischen Partnern in Bedrängnis. Nach Berichten verschiedener Medien wurden von Bad Aibling aus Spitzenbeamte des französischen Außenministeriums ebenso ausspioniert wie die EU-Kommission in Brüssel und auch große europäische Unternehmen wie der Airbus-Konzern. Dieser hat deshalb bereits angekündigt, gegen BND und NSA Anzeige wegen Industriespionage zu erstatten.
Der EU-Kommissionspräsident, Jean-Claude Juncker, forderte „die deutschen Behörden, auch die parlamentarischen“ auf, die Vorwürfe zu klären. Der Präsident des EU-Parlaments, der Deutsche Martin Schulz, zeigt sich irritiert.
Die deutschen Oppositionsparteien haben sich längst in das Thema verbissen und versuchen, daraus einen Megaskandal zu machen. Der Linkspolitiker Jan Korte sprach gar von einer „Krise der parlamentarischen Demokratie“. Inzwischen nimmt auch die SPD die Spionageaffäre zum Anlass, um gegen den übermächtigen Koalitionspartner CDU zu sticheln.
Auch der frühere Geheimdienstkoordinator im deutschen Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, kritisiert den Umgang der Regierung in Berlin mit dem BND in der Spionageaffäre, allerdings aus einer anderen Perspektive. „Jeder prügelt derzeit auf den BND ein, zumeist aus ideologischen Gründen. Aber so machen wir unsere Sicherheit für dieses Land kaputt“, erklärte er in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Anstatt dem BND-Chef Gerhard Schindler in dieser schwierigen Zeit den Rücken zu stärken, werde er vom Kanzleramt schändlich im Stich gelassen. Schmidbauer ließ auch keinen Zweifel daran, dass die Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden mit den amerikanischen Diensten unverzichtbar sei: „Wir sind nichts ohne die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse der Amerikaner. Ohne sie wären wir nur blinde Hühner.“
NSA-Kongress in Wien
Kommenden Mittwoch und Donnerstag findet in der Wiener Hofburg ein großer Kongress zum Thema NSA mit hochrangigen Parlamentariern aus ganz Europa und den USA statt. So wird auch Devin Nunes, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, erscheinen. Eröffnet wird der Kongress von SPÖ-Klubchef Andreas Schieder. Federführend organisiert worden ist er vom FPÖ-Abgeordneten Andreas Karlsböck. (APA, Reuters, red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2015)